Читать онлайн книгу "Ritter Gluck und andere geschichten"

Ritter Gluck und andere geschichten
РСЂРЅСЃС‚ РўРµРѕРґРѕСЂ РђРјР°РґРµР№ Р“РѕС„РјР°РЅ

Ernst Theodor Amadeus (E. T. A.) Hofrmann ist ein beruhmter deutscher Schriftsteller, in dessen Werken gehen die Geisterwelt, Kriminalgeschichten und ungewohnliche Abenteuer unvermittelt ineinander uber.In diesen Sammelband wurden seine bekanntesten Werke aufgenommen: "Ritter Gluck", "Der goldene Topf", "Der Sandmann" und andere. Den Leser erwarten spannende Sujets, pragnante Gestalten, die sich einem tief einpragen.

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann

Ritter Gluck und Andere Geschichten

В© T8RUGRAM, 2018

Der Goldene Topf

Erste Vigilie

Am Himmelfahrtstage, Nachmittags um drei Uhr rannte ein junger Mensch in Dresden durchs schwarze Tor und geradezu in einen Korb mit Г„pfeln und Kuchen hinein, die ein altes hГ¤Гџliches Weib feilbot, so daГџ Alles, was der Quetschung glГјcklich entgangen, hinausgeschleudert wurde, und die StraГџenjungen sich lustig in die Beute teilten, die ihnen der hastige Herr zugeworfen. Auf das Zetergeschrei, das die Alte erhob, verlieГџen die Gevatterinnen ihre Kuchen- und Branntweintische, umringten den jungen Menschen und schimpften mit pГ¶belhaftem UngestГјm auf ihn hinein, so daГџ er, vor Г„rger und Scham verstummend, nur seinen kleinen nicht eben besonders gefГјllten Geldbeutel hinhielt, den die Alte begierig ergriff und schnell einsteckte. Nun Г¶ffnete sich der festgeschlossene Kreis, aber indem der junge Mensch hinausschoГџ, rief ihm die Alte nach: Ja, renne вЂ“ renne nur zu, Satanskindins Kristall bald Dein Fall вЂ“ ins Kristall!В вЂ“ Die gellende, krГ¤chzende Stimme des Weibes hatte etwas Entsetzliches, so daГџ die SpaziergГ¤nger verwundert still standen, und das Lachen, das sich erst verbreitet, mit einem Mal verstummte.В вЂ“ Der Student Anselmus (niemand anders war der junge Mensch) fГјhlte sich, unerachtet er des Weibes sonderbare Worte durchaus nicht verstand, von einem unwillkГјrlichen Grausen ergriffen, und er beflГјgelte noch mehr seine Schritte, um sich den auf ihn gerichteten Blicken der neugierigen Menge zu entziehen. Wie er sich nun durch das GewГјhl geputzter Menschen durcharbeitete, hГ¶rte er Гјberall murmeln: "Der arme junge Mann вЂ“ ei! Гјber das verdammte Weib!"В вЂ“ Auf ganz sonderbare Weise hatten die geheimnisvollen Worte der Alten dem lГ¤cherlichen Abenteuer eine gewisse tragische Wendung gegeben, so daГџ man dem vorhin ganz Unbemerkten jetzt teilnehmend nachsah. Die Frauenzimmer verziehen dem wohlgebildeten Gesichte, dessen Ausdruck die Glut des innern Grimms noch erhГ¶hte, so wie dem krГ¤ftigen Wuchse des JГјnglings alles Ungeschick, so wie den ganz auГџer dem Gebiete aller Mode liegenden Anzug. Sein hechtgrauer Frack war nГ¤mlich so zugeschnitten, als habe der Schneider, der ihn gearbeitet, die moderne Form nur vom HГ¶rensagen gekannt, und das schwarzatlasne wohlgeschonte Unterkleid gab dem Ganzen einen gewissen magistermГ¤Гџigen Stil, dem sich nun wieder Gang und Stellung durchaus nicht fГјgen wollte.В вЂ“ Als der Student schon beinahe das Ende der Allee erreicht, die nach dem Linkschen Bade fГјhrt, wollte ihm beinahe der Atem ausgehen. Er war genГ¶tigt langsamer zu wandeln; aber kaum wagte er den Blick in die HГ¶he zu richten, denn noch immer sah er die Г„pfel und Kuchen um sich tanzen, und jeder freundliche Blick dieses oder jenes MГ¤dchens war ihm nur der Reflex des schadenfrohen GelГ¤chters am schwarzen Tor. So war er bis an den Eingang des Linkschen Bades gekommen; eine Reihe festlich gekleideter Menschen nach der andern zog herein. Musik von Blasinstrumenten ertГ¶nte von innen, und immer lauter und lauter wurde das GewГјhl der lustigen GГ¤ste. Die TrГ¤nen wГ¤ren dem armen Studenten Anselmus beinahe in die Augen getreten; denn auch er hatte, da der Himmelfahrtstag immer ein besonderes Familienfest fГјr ihn gewesen, an der GlГјckseligkeit des Linkschen Paradieses teilnehmen, ja er hatte es bis zu einer halben Portion Kaffee mit Rum und einer Bouteille Doppelbier treiben wollen, und um so recht schlampampen zu kГ¶nnen, mehr Geld eingesteckt, als eigentlich erlaubt und tunlich war. Und nun hatte ihn der fatale Tritt in den Г„pfelkorb um alles gebracht, was er bei sich getragen. An Kaffee, an Doppelbier, an Musik, an den Anblick der geputzten MГ¤dchen вЂ“ kurz вЂ“ an alle getrГ¤umten GenГјsse war nicht zu denken; er schlich langsam vorbei und schlug endlich den Weg an der Elbe ein, der gerade ganz einsam war. Unter einem Holunderbaume, der aus der Mauer hervorgesprossen, fand er ein freundliches RasenplГ¤tzchen; da setzte er sich hin und stopfte eine Pfeife von dem SanitГ¤tsknaster, den ihm sein Freund, der Konrektor Paulmann, geschenkt.В вЂ“ Dicht vor ihm plГ¤tscherten und rauschten die goldgelben Wellen des schГ¶nen Elbstroms; hinter demselben streckte das herrliche Dresden kГјhn und stolz seine lichten TГјrme empor in den duftigen Himmelsgrund, der sich hinabsenkte auf die blumigen Wiesen und frisch grГјnenden WГ¤lder, und aus tiefer DГ¤mmerung gaben die zackichten Gebirge Kunde vom fernen BГ¶hmerland. Aber finster vor sich hinblickend blies der Student Anselmus die Dampfwolken in die Luft, und sein Unmut wurde endlich laut, indem er sprach: "Wahr ist es doch, ich bin zu allem mГ¶glichen Kreuz und Elend geboren!В вЂ“ DaГџ ich niemals BohnenkГ¶nig geworden, daГџ ich im Paar oder Unpaar immer falsch geraten, daГџ mein Butterbrot immer auf die fette Seite gefallen, von allem diesen Jammer will ich gar nicht reden: aber ist es nicht ein schreckliches VerhГ¤ngnis, daГџ ich, als ich denn doch nun dem Satan zum Trotz Student geworden war, ein KГјmmeltГјrke sein und bleiben muГџte?В вЂ“ Ziehe ich wohl je einen neuen Rock an, ohne gleich das erstemal einen Talgfleck hineinzubringen, oder mir an einem Гјbeleingeschlagenen Nagel ein verwГјnschtes Loch hineinzureiГџen? GrГјГџe ich wohl je einen Herrn Hofrat oder eine Dame, ohne den Hut weit von mir zu schleudern, oder gar auf dem glatten Boden auszugleiten und schГ¤ndlich umzustГјlpen? Hatte ich nicht schon in Halle jeden Markttag eine bestimmte Ausgabe von drei bis vier Groschen fГјr zertretene TГ¶pfe, weil mir der Teufel in den Kopf setzt, meinen Gang geradeaus zu nehmen, wie die Laminge? Bin ich denn ein einziges Mal ins Kollegium, oder wo man mich sonst hinbeschieden, zu rechter Zeit gekommen? Was half es, daГџ ich eine halbe Stunde vorher ausging und mich vor die TГјr hinstellte, den DrГјcker in der Hand? denn so wie ich mit dem Glockenschlage aufdrГјcken wollte, goГџ mir der Satan ein Waschbecken Гјber den Kopf, oder lieГџ mich mit einem Heraustretenden zusammenrennen, daГџ ich in tausend HГ¤ndel verwickelt wurde und darГјber Alles versГ¤umte.В вЂ“ Ach! ach! wo seid ihr hin, ihr seligen TrГ¤ume kГјnftigen GlГјcks, wie ich stolz wГ¤hnte, ich kГ¶nne es wohl hier noch bis zum geheimen SekretГ¤r bringen! Aber hat mir mein Unstern nicht die besten GГ¶nner verfeindet?В вЂ“ Ich weiГџ, daГџ der geheime Rat, an den ich empfohlen bin, verschnittenes Haar nicht leiden mag; mit MГјhe befestigt der Friseur einen kleinen Zopf an meinem Hinterhaupt, aber bei der ersten Verbeugung springt die unglГјckselige Schnur, und ein munterer Mops, der mich umschnГјffelt, apportiert im Jubel das ZГ¶pfchen dem geheimen Rate. Ich springe erschrocken nach und stГјrze Гјber den Tisch, an dem er frГјhstГјckend gearbeitet hat, so daГџ Tassen, Teller, TintenfaГџ, SandbГјchse klirrend herabstГјrzen, und der Strom von Schokolade und Tinte sich Гјber die eben geschriebene Relation ergieГџt. Herr, sind Sie des Teufels? brГјllt der erzГјrnte geheime Rat und schiebt mich zur TГјr hinaus.В вЂ“ Was hilft es, daГџ mir der Konrektor Paulmann Hoffnung zu einem Schreiberdienste gemacht hat? Wird es denn mein Unstern zulassen, der mich Гјberall verfolgt?В вЂ“ Nur noch heute!В вЂ“ Ich wollte den lieben Himmelfahrtstag recht in der GemГјtlichkeit feiern, ich wollte ordentlich was daraufgehen lassen. Ich hГ¤tte eben so gut wie jeder andre Gast in Linkes Bade stolz rufen kГ¶nnen: Marqueur вЂ“ eine Flasche Doppelbier вЂ“ aber vom besten bitte ich!В вЂ“ Ich hГ¤tte bis spГ¤t Abends sitzen kГ¶nnen, und noch dazu ganz nahe bei dieser oder jener Gesellschaft herrlich geputzter schГ¶ner MГ¤dchen. Ich weiГџ es schon, der Mut wГ¤re mir gekommen, ich wГ¤re ein ganz anderer Mensch geworden; ja, ich hГ¤tte es so weit gebracht, daГџ wenn diese oder jene gefragt: wie spГ¤t mag es wohl jetzt sein? oder: was ist denn das, was sie spielen? da wГ¤re ich mit leichtem Anstande aufgesprungen, ohne mein Glas umzuwerfen, oder Гјber die Bank zu stolpern; mich in gebeugter Stellung anderthalb Schritte vorwГ¤rts bewegend, hГ¤tte ich gesagt: Erlauben Sie, Mademoiselle, Ihnen zu dienen, es ist die OuvertГјre aus dem Donauweibchen, oder: es wird gleich sechs Uhr schlagen.В вЂ“ HГ¤tte mir das ein Mensch in der Welt Гјbel deuten kГ¶nnen?В вЂ“ Nein! sage ich, die MГ¤dchen hГ¤tten sich so schalkhaft lГ¤chelnd angesehen, wie es wohl zu geschehen pflegt, wenn ich mich ermutige zu zeigen, daГџ ich mich auch wohl auf den leichten Weltton verstehe und mit Damen umzugehen weiГџ. Aber da fГјhrt mich der Satan in den verwГјnschten Г„pfelkorb, und nun muГџ ich in der Einsamkeit meinen SanitГ¤tsknaster вЂ“ " Hier wurde der Student Anselmus in seinem SelbstgesprГ¤che durch ein sonderbares Rieseln und Rascheln unterbrochen, das sich dicht neben ihm im Grase erhob, bald aber in die Zweige und BlГ¤tter des Holunderbaumes hinaufglitt, der sich Гјber seinem Haupte wГ¶lbte. Bald war es, als schГјttle der Abendwind die BlГ¤tter, bald als kosten VГ¶glein in den Zweigen, die kleinen Fittiche im mutwilligen Hin- und Herflattern rГјhrend. Da fing es an zu flГјstern und zu lispeln, und es war als ertГ¶nten die BlГјten wie aufgehangene KristallglГ¶ckchen. Anselmus horchte und horchte. Da wurde, er wuГџte selbst nicht wie, das Gelispel und GeflГјster und Geklingel zu leisen halbverwehten Worten:

Zwischen durch вЂ“ zwischen ein вЂ“ zwischen Zweigen, zwischen schwellenden BlГјten, schwingen, schlГ¤ngeln, schlingen wir uns вЂ“ Schwesterlein вЂ“ Schwesterlein, schwinge dich im Schimmer вЂ“ schnell, schnell herauf вЂ“ herab вЂ“ Abendsonne schieГџt Strahlen, zischelt der Abendwind вЂ“ raschelt der Abendwind вЂ“ raschelt der Tau вЂ“ BlГјten singen вЂ“ rГјhren wie ZГјnglein, singen wir mit BlГјten und Zweigen вЂ“ Sterne bald glГ¤nzen вЂ“ mГјssen herab вЂ“ zwischen durch, zwischen ein schlГ¤ngeln, schlingen, schwingen wir uns Schwesterlein. вЂ“

So ging es fort im Sinne verwirrender Rede. Der Student Anselmus dachte: das ist denn doch nur der Abendwind, der heute mit ordentlich verstГ¤ndlichen Worten flГјstert.В вЂ“ Aber in dem Augenblick ertГ¶nte es Гјber seinem Haupte wie ein Dreiklang heller Kristallglocken; er schaute hinauf und erblickte drei in grГјnem Gold erglГ¤nzende SchlГ¤nglein, die sich um die Zweige gewickelt hatten und die KГ¶pfchen der Abendsonne entgegenstreckten. Da flГјsterte und lispelte es von neuem in jenen Worten, und die SchlГ¤nglein schlГјpften und kosten auf und nieder durch die BlГ¤tter und Zweige; und wie sie sich so schnell rГјhrten, da war es als streue der Holunderbusch tausend funkelnde Smaragde durch seine dunklen BlГ¤tter. Das ist die Abendsonne, die so in dem Holunderbusch spielt, dachte der Student Anselmus: aber da ertГ¶nten die Glocken wieder und Anselmus sah, wie eine Schlange ihr KГ¶pfchen nach ihm herabstreckte. Durch alle Glieder fuhr es ihm wie ein elektrischer Schlag, er erbebte im Innersten вЂ“ er starrte hinauf, und ein Paar herrliche dunkelblaue Augen blickten ihn an mit unaussprechlicher Sehnsucht, so daГџ ein nie gekanntes GefГјhl der hГ¶chsten Seligkeit und des tiefsten Schmerzes seine Brust zersprengen wollte. Und wie er voll heiГџen Verlangens immer in die holdseligen Augen schaute, da ertГ¶nten stГ¤rker in lieblichen Akkorden die Kristallglocken, und die funkelnden Smaragde fielen auf ihn herab und umspannen ihn, in tausend FlГ¤mmchen um ihn herflackernd und spielend mit schimmernden Goldfaden. Der Holunderbusch rГјhrte sich und sprach: "Du lagst in meinem Schatten, mein Duft umfloГџ Dich, aber Du verstandest mich nicht: der Duft ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzГјndet." Der Abendwind strich vorГјber und sprach: "Ich umspielte Deine SchlГ¤fe, aber Du verstandest mich nicht: der Hauch ist meine Sprache, wenn ihn die Liebe entzГјndet." Die Sonnenstrahlen brachen durch das GewГ¶lk und der Schein brannte wie in Worten: "Ich umgoГџ Dich mit glГјhendem Gold, aber Du verstandest mich nicht: Glut ist meine Sprache, wenn sie die Liebe entzГјndet."

Und immer inniger und inniger versunken in den Blick des herrlichen Augenpaars, wurde heiГџer die Sehnsucht, glГјhender das Verlangen. Da regte und bewegte sich alles, wie zum frohen Leben erwacht. Blumen und BlГјten dufteten um ihn her, und ihr Duft war wie herrlicher Gesang von tausend FlГ¶tenstimmen; und was sie gesungen, trugen im Widerhall die goldenen vorГјberfliehenden Abendwolken in ferne Lande. Aber als der letzte Strahl der Sonne schnell hinter den Bergen verschwand und nun die DГ¤mmerung ihren Flor Гјber die Gegend warf, da rief, wie aus weiter Ferne, eine rauhe tiefe Stimme:

Hei, hei! was ist das fГјr ein Gemunkel und GeflГјster da drГјben?В вЂ“ Hei, hei! wer sucht mir doch den Strahl hinter den Bergen! genug gesonnt, genug gesungen.В вЂ“ Hei, hei! durch Busch und Gras вЂ“ durch Gras und Strom!В вЂ“ Hei,В вЂ“ hei вЂ“ Her u вЂ“ u вЂ“ u nter вЂ“ Her u вЂ“ u вЂ“ u nter!

So verschwand die Stimme wie im Murmeln eines fernen Donners, aber die Kristallglocken zerbrachen im schneidenden MiГџton. Alles war verstummt, und Anselmus sah, wie die drei Schlangen schimmernd und blinkend durch das Gras nach dem Strome schlГјpften; rischelnd und raschelnd stГјrzten sie sich in die Elbe, und Гјber den Wogen, wo sie verschwunden, knisterte ein grГјnes Feuer empor, das in schiefer Richtung nach der Stadt zu leuchtend verdampfte.

Zweite Vigilie

"Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste", sagte eine ehrbare BГјrgersfrau, die vom Spaziergange mit der Familie heimkehrend, still stand und mit Гјbereinandergeschlagenen Armen dem tollen Treiben des Studenten Anselmus zusah. Der hatte nГ¤mlich den Stamm des Holunderbaumes umfaГџt und rief unaufhГ¶rlich in die Zweige und BlГ¤tter hinein: "O nur noch einmal blinket und leuchtet, ihr lieblichen goldnen SchlГ¤nglein, nur noch einmal laГџt eure Glockenstimmchen hГ¶ren! Nur noch einmal blicket mich an, ihr holdseligen blauen Augen, nur noch einmal, ich muГџ ja sonst vergehen in Schmerz und heiГџer Sehnsucht!" Und dabei seufzte und Г¤chzte er aus der tiefsten Brust recht klГ¤glich, und schГјttelte vor Verlangen und Ungeduld den Holunderbaum, der aber statt aller Antwort nur ganz dumpf und unvernehmlich mit den BlГ¤ttern rauschte, und so den Schmerz des Studenten Anselmus ordentlich zu verhГ¶hnen schien.В вЂ“ "Der Herr ist wohl nicht recht bei Troste," sagte die BГјrgersfrau, und dem Anselmus war es so, als wГјrde er aus einem tiefen Traum gerГјttelt oder gar mit eiskaltem Wasser begossen, um ja recht jГ¤hling zu erwachen. Nun sah er erst wieder deutlich, wo er war, und besann sich, wie ein sonderbarer Spuk ihn geneckt und gar dazu getrieben habe, ganz allein fГјr sich selbst in laute Worte auszubrechen. BestГјrzt blickte er die BГјrgersfrau an und griff endlich nach dem Hute, der zur Erde gefallen, um davon zu eilen. Der Familienvater war unterdessen auch herangekommen und hatte, nachdem er das Kleine, das er auf dem Arm getragen, ins Gras gesetzt, auf seinen Stock sich stГјtzend mit Verwunderung dem Studenten zugehГ¶rt und zugeschaut. Er hob jetzt Pfeife und Tabaksbeutel auf, die der Student fallen lassen, und sprach, beides ihm hinreichend: "LamentierвЂ™ der Herr nicht so schrecklich in der Finsternis, und vexierвЂ™ Er nicht die Leute, wenn ihm sonst nichts fehlt, als daГџ Er zu viel ins GlГ¤schen geguckt вЂ“ gehвЂ™ Er fein ordentlich zu Hause und legвЂ™ Er sich aufs Ohr!" Der Student Anselmus schГ¤mte sich sehr, er stieГџ ein weinerliches Ach! aus.В вЂ“ "Nun, nun", fuhr der BГјrgersmann fort, "laГџ es der Herr nur gut sein, so was geschieht dem Besten, und am lieben Himmelfahrtstage kann man wohl in der Freude seines Herzens ein SchlГјckchen Гјber den Durst tun.

Das passiert auch wohl einem Manne Gottes вЂ“ der Herr ist ja doch wohl ein Kandidat.В вЂ“ Aber wenn es der Herr erlaubt, stopfвЂ™ ich mir ein Pfeifchen von seinem Tabak, meiner ist mir da droben ausgegangen." Dies sagte der BГјrger, als der Student Anselmus schon Pfeife und Beutel einstecken wollte, und nun reinigte der BГјrger langsam und bedГ¤chtig seine Pfeife, und fing eben so langsam an zu stopfen. Mehrere BГјrgermГ¤dchen waren dazugetreten, die sprachen heimlich mit der Frau und kicherten mit einander, indem sie den Anselmus ansahen. Dem war es, als stГ¤nde er auf lauter spitzigen Dornen und glГјhenden Nadeln. So wie er nur Pfeife und Tabaksbeutel erhalten, rannte er spornstreichs davon. Alles was er Wunderbares gesehen, war ihm rein aus dem GedГ¤chtnis geschwunden, und er besann sich nur, daГџ er unter dem Holunderbaum allerlei tolles Zeug ganz laut geschwatzt, was ihm denn um so entsetzlicher war, als er von jeher einen innerlichen Abscheu gegen alle Selbstredner gehegt. Der Satan schwatzt aus ihnen, sagte sein Rektor, und daran glaubte er auch in der Tat. FГјr einen am Himmelfahrtstage betrunkenen Candidatus theologiae gehalten zu werden, der Gedanke war ihm unertrГ¤glich. Schon wollte er in die Pappelallee bei dem Koselschen Garten einbiegen, als eine Stimme hinter ihm her rief: Herr Anselmus! Herr Anselmus! wo rennen Sie denn um tausend Himmelswillen hin in solcher Hast? Der Student blieb wie in den Boden gewurzelt stehen, denn er war Гјberzeugt, daГџ nun gleich ein neues UnglГјck auf ihn einbrechen werde. Die Stimme lieГџ sich wieder hГ¶ren: Herr Anselmus, so kommen Sie doch zurГјck, wir warten hier am Wasser!В вЂ“ Nun vernahm der Student erst, daГџ es sein Freund, der Konrektor Paulmann war, der ihn rief; er ging zurГјck an die Elbe und fand den Konrektor mit seinen beiden TГ¶chtern, sowie den Registrator Heerbrand, wie sie eben im Begriff waren in eine Gondel zu steigen. Der Konrektor Paulmann lud den Studenten ein, mit ihm Гјber die Elbe zu fahren und dann in seiner, auf der Pirnaer Vorstadt gelegenen Wohnung Abends Гјber bei ihm zu bleiben. Student Anselmus nahm das recht gern an, weil er denn doch so dem bГ¶sen VerhГ¤ngnis, das heute Гјber ihn walte, zu entrinnen glaubte. Als sie nun Гјber den Strom fuhren, begab es sich, daГџ auf dem jenseitigen Ufer bei dem Antonschen Garten ein Feuerwerk abgebrannt wurde. Prasselnd und zischend fuhren die Raketen in die HГ¶he und die leuchtenden Sterne zersprangen in den LГјften, tausend knisternde Strahlen und Flammen um sich sprГјhend. Der Student Anselmus saГџ in sich gekehrt bei dem rudernden Schiffer; als er nun aber im Wasser den Widerschein der in der Luft herumsprГјhenden und knisternden Funken und Flammen erblickte, da war es ihm als zГ¶gen die goldnen SchlГ¤nglein durch die Flut. Alles, was er unter dem Holunderbaum Seltsames geschaut, trat wieder lebendig in Sinn und Gedanken, und aufs neue ergriff ihn die unaussprechliche Sehnsucht, das glГјhende Verlangen, welches dort seine Brust in krampfhaft schmerzvollem EntzГјcken erschГјttert. "Ach, seid ihr es denn wieder, ihr goldenen SchlГ¤nglein, singt nur, singt! In eurem Gesange erscheinen ja wieder die holden lieblichen dunkelblauen Augen вЂ“ ach, seid ihr denn unter den Fluten!"В вЂ“ So rief der Student Anselmus und machte dabei eine heftige Bewegung, als wolle er sich gleich aus der Gondel in die Flut stГјrzen. "Ist der Herr des Teufels?" rief der Schiffer, und erwischte ihn beim RockschoГџ. Die MГ¤dchen, welche bei ihm gesessen, schrieen im Schreck auf und flГјchteten auf die andere Seite der Gondel! der Registrator Heerbrand sagte dem Konrektor Paulmann etwas ins Ohr, worauf dieser mehreres antwortete, wovon der Student Anselmus aber nur die Worte verstand: "Dergleichen AnfГ¤lle вЂ“ noch nicht bemerkt?"В вЂ“ Gleich nachher stand auch der Konrektor Paulmann auf und setzte sich mit einer gewissen ernsten gravitГ¤tischen Amtsmiene zu dem Studenten Anselmus, seine Hand nehmend und sprechend: Wie ist Ihnen, Herr Anselmus? Dem Studenten Anselmus vergingen beinahe die Sinne, denn in seinem Innern erhob sich ein toller Zwiespalt, den er vergebens beschwichtigen wollte. Er sah nun wohl deutlich, daГџ das, was er fГјr das Leuchten der goldenen SchlГ¤nglein gehalten, nur der Widerschein des Feuerwerks bei Antons Garten war; aber ein nie gekanntes GefГјhl, er wuГџte selbst nicht, ob Wonne, ob Schmerz, zog krampfhaft seine Brust zusammen, und wenn der Schiffer nun so mit dem Ruder ins Wasser hineinschlug, daГџ es wie im Zorn sich emporkrГ¤uselnd plГ¤tscherte und rauschte, da vernahm er in dem GetГ¶se ein heimliches Lispeln und FlГјstern: Anselmus! Anselmus! siehst Du nicht, wie wir stets vor Dir herziehen?В вЂ“ Schwesterlein blickt Dich wohl wieder an вЂ“ glaube вЂ“ glaube вЂ“ glaube an uns!В вЂ“ Und es war ihm, als sГ¤h er im Widerschein drei grГјnglГјhende Streifen. Aber als er dann recht wehmГјtig ins Wasser hineinblickte, ob nun nicht die holdseligen Augen aus der Flut herausschauen wГјrden, da gewahrte er wohl, daГџ der Schein nur von den erleuchteten Fenstern der nahen HГ¤user herrГјhrte. Schweigend saГџ er da und im Innern mit sich kГ¤mpfend; aber der Konrektor Paulmann sprach noch heftiger: Wie ist Ihnen, Herr Anselmus? Ganz kleinmГјtig antwortete der Student: Ach, lieber Herr Konrektor, wenn Sie wГјГџten, was ich eben unter dem Holunderbaum bei der Linkeschen Gartenmauer ganz wachend mit offnen Augen fГјr ganz besondere Dinge getrГ¤umt habe, ach, Sie wГјrden mir es gar nicht verdenken, daГџ ich so gleichsam abwesend вЂ“ Ei, ei, Herr Anselmus, fiel der Konrektor Paulmann ein, ich habe Sie immer fГјr einen soliden jungen Mann gehalten,В вЂ“ aber trГ¤umen вЂ“ mit hellen offenen Augen trГ¤umen, und dann mit einem Mal ins Wasser springen wollen, das вЂ“ verzeihen Sie mir, kГ¶nnen nur Wahnwitzige oder Narren!В вЂ“ Der Student Anselmus wurde ganz betrГјbt Гјber seines Freundes harte Rede; da sagte Paulmanns Г¤lteste Tochter Veronika, ein recht hГјbsches blГјhendes MГ¤dchen von sechzehn Jahren: Aber, lieber Vater, es muГџ dem Herrn Anselmus doch was Besonderes begegnet sein, und er glaubt vielleicht nur, daГџ er gewacht habe, unerachtet er unter dem Holunderbaum wirklich geschlafen und ihm allerlei nГ¤rrisches Zeug vorgekommen, was ihm noch in Gedanken liegt.В вЂ“ Und, teuerste Mademoiselle, werter Konrektor, nahm der Registrator Heerbrand das Wort, sollte man denn nicht auch wachend in einen gewissen trГ¤umerischen Zustand versinken kГ¶nnen? So ist mir in der Tat selbst einmal Nachmittags beim Kaffee in einem solchen HinbrГјten, dem eigentlichen Moment kГ¶rperlicher und geistiger Verdauung, die Lage eines verlornen AktenstГјcks wie durch Inspiration eingefallen, und nur noch gestern tanzte auf gleiche Weise eine herrliche groГџe lateinische Frakturschrift vor meinen hellen offenen Augen umher. Ach, geehrtester Registrator, erwiderte der Konrektor Paulmann, Sie haben immer solch einen Hang zu den Poeticis gehabt, und da verfГ¤llt man leicht in das Phantastische und Romanhafte. Aber dem Studenten Anselmus tat es wohl, daГџ man sich seiner in der hГ¶chst betrГјbten Lage, fГјr betrunken oder wahnwitzig gehalten zu werden, annahm; und unerachtet es ziemlich finster geworden, glaubte er doch zum erstenmale zu bemerken, wie Veronika recht schГ¶ne dunkelblaue Augen habe, ohne daГџ ihm jedoch jenes wunderbare Augenpaar, das er in dem Holunderbaum geschaut, in die Gedanken kam. Гњberhaupt war dem Studenten Anselmus mit einem Mal nun wieder das Abenteuer unter dem Holunderbaum ganz verschwunden; er fГјhlte sich so leicht und froh, ja er trieb es wie im lustigen Гњbermute so weit, daГџ er bei dem Heraussteigen aus der Gondel seiner Schutzrednerin Veronika die hГјlfreiche Hand bot, und ohne weiteres, als sie ihren Arm in den seinigen hing, sie mit so vieler Geschicklichkeit und so vielem GlГјck zu Hause fГјhrte, daГџ er nur ein einziges Mal ausglitt und, da es gerade der einzige schmutzige Fleck auf dem ganzen Wege war, Veronikas weiГџes Kleid nur ganz wenig bespritzte. Dem Konrektor Paulmann entging die glГјckliche Г„nderung des Studenten Anselmus nicht, er gewann ihn wieder lieb und bat ihn der harten Worte wegen, die er vorhin gegen ihn fallen lassen, um Verzeihung. Ja, fГјgte er hinzu, man hat wohl Beispiele, daГџ oft gewisse Phantasmata dem Menschen vorkommen und ihn ordentlich Г¤ngstigen und quГ¤len kГ¶nnen; das ist aber kГ¶rperliche Krankheit, und es helfen Blutigel, die man, salva venia, dem Hintern appliziert, wie ein berГјhmter bereits verstorbener Gelehrter bewiesen. Der Student Anselmus wuГџte nun in der Tat selbst nicht, ob er betrunken, wahnwitzig oder krank gewesen; auf jeden Fall schienen ihm aber die Blutigel ganz unnГјtz, da die etwaigen Phantasmata gГ¤nzlich verschwunden und er sich immer heiterer fГјhlte, je mehr es ihm gelang sich in allerlei Artigkeiten um die hГјbsche Veronika zu bemГјhen. Es wurde wie gewГ¶hnlich nach der frugalen Mahlzeit Musik gemacht; der Student Anselmus muГџte sich ans Klavier setzen und Veronika lieГџ ihre helle klare Stimme hГ¶ren.В вЂ“ Werte Mademoiselle, sagte der Registrator Heerbrand, Sie haben eine Stimme wie eine Kristallglocke!В вЂ“ "Das nun wohl nicht!" fuhr es dem Studenten heraus, er wuГџte selbst nicht wie, und alle sahen ihn verwundert und betroffen an.В вЂ“ "Kristallglocken tГ¶nen in HolunderbГ¤umen wunderbar! wunderbar!" fuhr der Student Anselmus halbleise murmelnd fort. Da legte Veronika ihre Hand auf seine Schulter und sagte: Was sprechen Sie denn da, Herr Anselmus? Gleich wurde der Student wieder ganz munter und fing an zu spielen. Der Konrektor Paulmann sah ihn finster an, aber der Registrator Heerbrand legte ein Notenblatt auf das Pult und sang zum EntzГјcken eine Bravourarie vom Kapellmeister Graun. Der Student Anselmus akkompagnierte noch manches, und ein fugiertes Duett, das er mit Veronika vortrug und das der Konrektor Paulmann selbst komponiert, setzte alles in die frГ¶hlichste Stimmung. Es war ziemlich spГ¤t worden und der Registrator Heerbrand griff nach Hut und Stock, da trat der Konrektor Paulmann geheimnisvoll zu ihm hin und sprach: Ei, wollten Sie nicht, geehrter Registrator, dem guten Herrn Anselmus selbst вЂ“ nun! wovon wir vorhin sprachen вЂ“ Mit tausend Freuden, erwiderte der Registrator Heerbrand, und begann, nachdem sie sich im Kreise gesetzt, ohne weiteres in folgender Art: "Es ist hier im Orte ein alter wunderlicher merkwГјrdiger Mann, man sagt, er treibe allerlei geheime Wissenschaften; da es nun eigentlich dergleichen gar nicht gibt, so halte ich ihn eher fГјr einen forschenden Antiquar, auch wohl nebenher fГјr einen experimentierenden Chemiker. Ich meine niemand andern als unsern geheimen Archivarius Lindhorst. Er lebt, wie Sie wissen, einsam in seinem entlegenen alten Hause, und wenn ihn der Dienst nicht beschГ¤ftigt, findet man ihn in seiner Bibliothek oder in seinem chemischen Laboratorio, wo er aber niemanden hineinlГ¤Гџt. Er besitzt auГџer vielen seltenen BГјchern eine Anzahl zum Teil arabischer, koptischer, und gar in sonderbaren Zeichen, die keiner bekannten Sprache angehГ¶ren, geschriebene Manuskripte. Diese will er auf geschickte Weise kopieren lassen, und es bedarf dazu eines Mannes, der sich darauf versteht mit der Feder zu zeichnen, um mit der grГ¶Гџten Genauigkeit und Treue alle Zeichen auf Pergament und zwar mit Tusche Гјbertragen zu kГ¶nnen. Er lГ¤Гџt in einem besondern Zimmer seines Hauses unter seiner Aufsicht arbeiten, bezahlt auГџer dem freien Tisch wГ¤hrend der Arbeit jeden Tag einen Speziestaler, und verspricht noch ein ansehnliches Geschenk, wenn die Abschriften glГјcklich beendet. Die Zeit der Arbeit ist tГ¤glich von zwГ¶lf bis sechs Uhr. Von drei bis vier Uhr wird geruht und gegessen. Da er schon mit ein paar jungen Leuten vergeblich den Versuch gemacht hat, jene Manuskripte kopieren zu lassen, so hat er sich endlich an mich gewendet, ihm einen geschickten Zeichner zuzuweisen; da habe ich an Sie gedacht, lieber Herr Anselmus, denn ich weiГџ, daГџ Sie sowohl sehr sauber schreiben, als auch mit der Feder sehr zierlich und rein zeichnen. Wollen Sie daher in dieser schlechten Zeit und bis zu Ihrer etwanigen [etwaigen] Anstellung den Speziestaler tГ¤glich verdienen und das Geschenk obendrein, so bemГјhen Sie sich morgen Punkt zwГ¶lf Uhr zu dem Herrn Archivarius, dessen Wohnung Ihnen bekannt sein wird. Aber hГјten Sie sich ja vor jedem Tintenflecken; fГ¤llt er auf die Abschrift, so mГјssen Sie ohne Gnade von vorn anfangen, fГ¤llt er auf das Original, so ist der Herr Archivarius imstande Sie zum Fenster hinauszuwerfen, denn es ist ein zorniger Mann."В вЂ“ Der Student Anselmus war voll inniger Freude Гјber den Antrag des Registrators Heerbrand: denn nicht allein, daГџ er sauber schrieb und mit der Feder zeichnete, so war es auch seine wahre Passion, mit mГјhsamem kalligraphischem Aufwande abzuschreiben; er dankte daher seinen GГ¶nnern in den verbindlichsten AusdrГјcken und versprach die morgende Mittagsstunde nicht zu versГ¤umen. In der Nacht sah der Student Anselmus nichts als blanke Speziestaler und hГ¶rte ihren lieblichen Klang.В вЂ“ Wer mag das dem Armen verargen, der um so manche Hoffnung durch ein launisches MiГџgeschick betrogen, jeden Heller zu Rate halten und manchem GenuГџ, den jugendliche Lebenslust forderte, entsagen muГџte. Schon am frГјhen Morgen suchte er seine Bleistifte, seine Rabenfedern, seine chinesische Tusche zusammen; denn besser, dachte er, kann der Herr Archivarius keine Materialien erfinden. Vor allen Dingen musterte und ordnete er seine kalligraphischen MeisterstГјcke und seine Zeichnungen, um sie dem Archivarius, zum Beweis seiner FГ¤higkeit das Verlangte zu erfГјllen, aufzuweisen. Alles ging glГјcklich von statten, ein besonderer GlГјcksstern schien Гјber ihn zu walten, die Halsbinde saГџ gleich beim ersten UmknГјpfen wie sie sollte, keine Naht platzte, keine Masche zerriГџ in den schwarzseidenen StrГјmpfen, der Hut fiel nicht noch einmal in den Staub, als er schon sauber abgebГјrstet.В вЂ“ Kurz!В вЂ“ Punkt halb zwГ¶lf Uhr stand der Student Anselmus in seinem hechtgrauen Frack und seinen schwarzatlasnen Unterkleidern, eine Rolle SchГ¶nschriften und Federzeichnungen in der Tasche, schon auf der SchloГџgasse in Conradis Laden und trank вЂ“ eins вЂ“ zwei GlГ¤schen des besten MagenlikГ¶rs; denn hier, dachte er, indem er auf die annoch leere Tasche schlug, werden bald Speziestaler erklingen. Unerachtet des weiten Weges bis in die einsame StraГџe, in der sich das uralte Haus des Archivarius Lindhorst befand, war der Student Anselmus doch vor zwГ¶lf Uhr an der HaustГјr. Da stand er und schaute den groГџen bronzenen TГјrklopfer an; aber als er nun auf den letzten die Luft mit mГ¤chtigem Klange durchbebenden Schlag der Turmuhr an der Kreuzkirche den TГјrklopfer ergreifen wollte, da verzog sich das metallene Gesicht im ekelhaften Spiel blauglГјhender Lichtblicke zum grinsenden LГ¤cheln. Ach! es war ja das Г„pfelweib vom schwarzen Tor. Die spitzigen ZГ¤hne klappten in dem schlaffen Maule zusammen, und in dem Klappern schnarrte es: "Du Narre вЂ“ Narre вЂ“ Narre вЂ“ warte, warte! warum warst hinausgerannt! Narr!"В вЂ“ Entsetzt taumelte der Student Anselmus zurГјck, er wollte den TГјrpfosten ergreifen, aber seine Hand erfaГџte die Klingelschnur und zog sie an, da lГ¤utete es stГ¤rker und stГ¤rker in gellenden MiГџtГ¶nen, und durch das ganze Г¶de Haus rief und spottete der Widerhall: Bald Dein Fall ins Kristall!В вЂ“ Den Studenten Anselmus ergriff ein Grausen, das im krampfhaften Fieberfrost durch alle Glieder bebte. Die Klingelschnur senkte sich hinab und wurde zur weiГџen durchsichtigen Riesenschlange, die umwand und drГјckte ihn, fester und fester ihr Gewinde schnГјrend, zusammen, daГџ die mГјrben zermalmten Glieder knackend zerbrГ¶ckelten und sein Blut aus den Adern spritzte, eindringend in den durchsichtigen Leib der Schlange und ihn rot fГ¤rbend.В вЂ“ TГ¶te mich, tГ¶te mich! wollte er schreien in der entsetzlichen Angst, aber sein Geschrei war nur ein dumpfes RГ¶cheln.В вЂ“ Die Schlange erhob ihr Haupt und legte die lange spitzige Zunge von glГјhendem Erz auf die Brust des Anselmus, da zerriГџ ein schneidender Schmerz jГ¤hlings die Pulsader des Lebens und es vergingen ihm die Gedanken.В вЂ“ Als er wieder zu sich selbst kam, lag er auf seinem dГјrftigen Bettlein, vor ihm stand aber der Konrektor Paulmann und sprach: Was treiben Sie denn um des Himmels Willen fГјr tolles Zeug, lieber Herr Anselmus!

Dritte Vigilie

Der Geist schaute auf das Wasser, da bewegte es sich und brauste in schГ¤umenden Wogen und stГјrzte sich donnernd in die AbgrГјnde, die ihre schwarzen Rachen aufsperrten, es gierig zu verschlingen. Wie triumphierende Sieger hoben die Granitfelsen ihre zackicht gekrГ¶nten HГ¤upter empor, das Tal schГјtzend, bis es die Sonne in ihren mГјtterlichen SchoГџ nahm und es umfassend mit ihren Strahlen wie mit glГјhenden Armen pflegte und wГ¤rmte. Da erwachten tausend Keime, die unter dem Г¶den Sande geschlummert, aus dem tiefen Schlafe und streckten ihre grГјnen BlГ¤ttlein und Halme zum Angesicht der Mutter hinauf, und wie lГ¤chelnde Kinder in grГјner Wiege, ruhten in den BlГјten und Knospen BlГјmlein, bis auch sie von der Mutter geweckt erwachten und sich schmГјckten mit den Lichtern, die die Mutter ihnen zur Freude auf tausendfache Weise bunt gefГ¤rbt. Aber in der Mitte des Tals war ein schwarzer HГјgel, der hob sich auf und nieder wie die Brust des Menschen, wenn glГјhende Sehnsucht sie schwellt.В вЂ“ Aus den AbgrГјnden rollten die DГјnste empor, und sich zusammenballend in gewaltige Massen, strebten sie das Angesicht der Mutter feindlich zu verhГјllen; die rief aber den Sturm herbei, der fuhr zerstГ¤ubend unter sie; und als der reine Strahl wieder den schwarzen HГјgel berГјhrte, da brach im ГњbermaГџ des EntzГјckens eine herrliche Feuerlilie hervor, die schГ¶nen BlГ¤tter wie holdselige Lippen Г¶ffnend, der Mutter sГјГџe KГјsse zu empfangen.В вЂ“ Nun schritt ein glГ¤nzendes Leuchten in das Tal! es war der JГјngling Phosphorus, den sah die Feuerlilie und flehte von heiГџer, sehnsГјchtiger Liebe befangen: sei doch mein ewiglich, Du schГ¶ner JГјngling! denn ich liebe Dich und muГџ vergehen, wenn Du mich verlassest. Da sprach der JГјngling Phosphorus: ich will Dein sein, Du schГ¶ne Blume, aber dann wirst Du, wie ein entartet Kind, Vater und Mutter verlassen, Du wirst Deine Gespielen nicht mehr kennen, Du wirst grГ¶Гџer und mГ¤chtiger sein wollen als alles, was sich jetzt als Deinesgleichen mit Dir freut. Die Sehnsucht, die jetzt Dein ganzes Wesen wohltГ¤tig erwГ¤rmt, wird in hundert Strahlen zerspaltet Dich quГ¤len und martern; denn der Sinn wird die Sinne gebГ¤ren, und die hГ¶chste Wonne, die der Funke entzГјndet, den ich in Dich hineinwerfe, ist der hoffnungslose Schmerz, in dem Du untergehst, um aufs neue fremdartig emporzukeimen.В вЂ“ Dieser Funke ist der Gedanke!В вЂ“ Ach! klagte die Lilie, kann ich denn nicht in der Glut, wie sie jetzt in mir brennt, Dein sein? Kann ich Dich denn mehr lieben als jetzt, und kann ich Dich denn schauen wie jetzt, wenn Du mich vernichtest? Da kГјГџte sie der JГјngling Phosphorus, und wie vom Lichte durchstrahlt loderte sie auf in Flammen, aus denen ein fremdes Wesen hervorbrach, das schnell dem Tale entfliehend im unendlichen Raume herumschwГ¤rmte, sich nicht kГјmmernd um die Gespielen der Jugend und um den geliebten JГјngling. Der klagte um die verlorne Geliebte, denn auch ihn brachte ja nur die unendliche Liebe zu der schГ¶nen Lilie in das einsame Tal, und die Granitfelsen neigten ihre HГ¤upter teilnehmend vor dem Jammer des JГјnglings. Aber einer Г¶ffnete seinen SchoГџ und es kam ein schwarzer geflГјgelter Drache rauschend herausgeflattert und sprach: meine BrГјder, die Metalle schlafen da drinnen, aber ich bin stets munter und wach und will dir helfen. Sich auf- und niederschwingend erhaschte endlich der Drache das Wesen, das der Lilie entsprossen, trug es auf den HГјgel und umschloГџ es mit seinem Fittich; da war es wieder die Lilie, aber der bleibende Gedanke zerriГџ ihr Innerstes und die Liebe zu dem JГјngling Phosphorus war ein schneidender Jammer, vor dem, von giftigen DГјnsten angehaucht, die BlГјmlein, die sonst sich ihres Blickes gefreut, verwelkten und starben. Der JГјngling Phosphorus legte eine glГ¤nzende RГјstung an, die in tausendfarbigen Strahlen spielte, und kГ¤mpfte mit dem Drachen, der mit seinem schwarzen Fittich an den Panzer schlug, daГџ er hell erklang; und von dem mГ¤chtigen Klange lebten die BlГјmlein wieder auf und umflatterten wie bunte VГ¶gel den Drachen, dessen KrГ¤fte schwanden und der besiegt sich in der Tiefe der Erde verbarg. Die Lilie war befreit, der JГјngling Phosphorus umschlang sie voll glГјhenden Verlangens himmlischer Liebe, und im hochjubelnden Hymnus huldigten ihr die Blumen, die VГ¶gel, ja selbst die hohen Granitfelsen als KГ¶nigin des Tals.В вЂ“ Erlauben Sie, das ist orientalischer Schwulst, werter Herr Archivarius! sagte der Registrator Heerbrand, und wir baten denn doch, Sie sollten, wie Sie sonst wohl zu tun pflegen, uns etwas aus Ihrem hГ¶chst merkwГјrdigen Leben, etwa von Ihren Reiseabenteuern und zwar etwas Wahrhaftiges erzГ¤hlen.В вЂ“ Nun was denn? erwiderte der Archivarius Lindhorst, das was ich soeben erzГ¤hlt, ist das Wahrhaftigste, was ich Euch auftischen kann, Ihr Leute, und gehГ¶rt in gewisser Art auch zu meinem Leben. Denn ich stamme eben aus jenem Tale her, und die Feuerlilie, die zuletzt als KГ¶nigin herrschte, ist meine Ur-ur-ur-ur-GroГџmutter, weshalb ich denn auch eigentlich ein Prinz bin.В вЂ“ Alle brachen in ein schallendes GelГ¤chter aus.В вЂ“ Ja lacht nur recht herzlich, fuhr der Archivarius Lindhorst fort, Euch mag wohl das, was ich freilich nur in ganz dГјrftigen ZГјgen erzГ¤hlt habe, unsinnig und toll vorkommen, aber es ist dessen unerachtet nichts weniger als ungereimt oder auch nur allegorisch gemeint, sondern buchstГ¤blich wahr. HГ¤tte ich aber gewuГџt, daГџ Euch die herrliche Liebesgeschichte, der auch ich meine Entstehung zu verdanken habe, so wenig gefallen wГјrde, so hГ¤tte ich lieber manches Neue mitgeteilt, das mir mein Bruder beim gestrigen Besuch mitbrachte.В вЂ“ "Ei, wie das? Haben Sie denn einen Bruder, Herr Archivarius?В вЂ“ Wo ist er denn вЂ“ wo lebt er denn? Auch in kГ¶niglichen Diensten, oder vielleicht ein privatisierender Gelehrter?" So fragte man von allen Seiten.В вЂ“ "Nein!" erwiderte der Archivarius, ganz kalt und gelassen eine Prise nehmend, "er hat sich auf die schlechte Seite gelegt und ist unter die Drachen gegangen."В вЂ“ "Wie beliebten Sie doch zu sagen, wertester Archivarius," nahm der Registrator Heerbrand das Wort, "unter die Drachen?"В вЂ“ "Unter die Drachen?" hallte es von allen Seiten wie ein Echo nach.В вЂ“ "Ja, unter die Drachen", fuhr der Archivarius Lindhorst fort, eigentlich war es Desperation. Sie wissen, meine Heren [Herren], daГџ mein Vater vor ganz kurzer Zeit starb, es sind nur hГ¶chstens dreihundertfГјnfundachtzig Jahre her, weshalb ich auch noch Trauer trage; der hatte mir, dem Liebling, einen prГ¤chtigen Onyx vermacht, den durchaus mein Bruder haben wollte. Wir zankten uns bei der Leiche des Vaters darГјber auf eine ungebГјhrliche Weise, bis der Selige, der die Geduld verlor, aufsprang und den bГ¶sen Bruder die Treppe hinunterwarf. Das wurmte meinen Bruder, und er ging stehenden FuГџes unter die Drachen. Jetzt hГ¤lt er sich in einem Cypressenwalde dicht bei Tunis auf, dort hat er einen berГјhmten mystischen Karfunkel zu bewachen, dem ein Teufelskerl von Nekromant, der ein Sommerlogis in Lappland bezogen, nachstellt, weshalb er denn nur auf ein ViertelstГјndchen, wenn gerade der Nekromant im Garten seine Salamanderbeete besorgt, abkommen kann, um mir in der Geschwindigkeit zu erzГ¤hlen, was es gutes Neues an den Quellen des Nils gibt."В вЂ“ Zum zweiten Male brachen die Anwesenden in ein schallendes GelГ¤chter aus, aber dem Studenten Anselmus wurde ganz unheimlich zu Mute, und er konnte den Archivarius Lindhorst kaum in die starren, ernsten Augen sehen, ohne innerlich auf eine ihm selbst unbegreifliche Weise zu erbeben. Zumal hatte die rauhe, aber sonderbar metallartig tГ¶nende Stimme des Archivarius Lindhorst fГјr ihn etwas geheimnisvoll Eindringendes, daГџ er Mark und Bein erzittern fГјhlte. Der eigentliche Zweck, weshalb ihn der Registrator Heerbrand mit in das Kaffeehaus genommen hatte, schien heute nicht erreichbar zu sein. Nach jenem Vorfalle vor dem Hause des Archivarius Lindhorst war nГ¤mlich der Student Anselmus nicht dahin zu vermГ¶gen gewesen, den Besuch zum zweiten Male zu wagen; denn nach seiner innigsten Гњberzeugung hatte nur der Zufall ihn, wo nicht vom Tode, doch von der Gefahr, wahnsinnig zu werden befreit. Der Konrektor Paulmann war eben durch die StraГџe gegangen, als er ganz von Sinnen vor der HaustГјr lag, und ein altes Weib, die ihren Kuchen- und Г„pfelkorb bei Seite gesetzt, um ihn beschГ¤ftigt war. Der Konrektor Paulmann hatte sogleich eine Portechaise herbeigerufen und ihn so nach Hause transportiert. "Man mag von mir denken, was man will", sagte der Student Anselmus, "man mag mich fГјr einen Narren halten oder nicht вЂ“ genug!В вЂ“ an dem TГјrklopfer grinste mir das vermaledeite Gesicht der Hexe vom schwarzen Tore entgegen; was nachher geschah, davon will ich lieber gar nicht reden; aber wГ¤re ich aus meiner Ohnmacht erwacht und hГ¤tte das verwГјnschte Г„pfelweib vor mir gesehen (denn niemand anders war doch das alte um mich beschГ¤ftigte Weib), mich hГ¤tte augenblicklich der Schlag gerГјhrt, oder ich wГ¤re wahnsinnig geworden." Alles Zureden, alle vernГјnftigen Vorstellungen des Konrektors Paulmann und des Registrators Heerbrand fruchteten gar nichts, und selbst die blauГ¤ugige Veronika vermochte nicht, ihn aus einem gewissen tiefsinnigen Zustande zu reiГџen, in den er versunken. Man hielt ihn nun in der Tat fГјr seelenkrank und sann auf Mittel, ihn zu zerstreuen, worauf der Registrator Heerbrand meinte, daГџ nichts dazu dienlicher sein kГ¶nne als die BeschГ¤ftigung bei dem Archivarius Lindhorst, nГ¤mlich das Nachmalen der Manuskripte. Es kam nur darauf an, den Studenten Anselmus auf gute Art dem Archivarius Lindhorst bekannt zu machen, und da der Registrator Heerbrand wuГџte, daГџ dieser beinahe jeden Abend ein gewisses bekanntes Kaffeehaus besuchte, so lud er den Studenten Anselmus ein, jeden Abend so lange auf seine, des Registrators Kosten in jenem Kaffeehause ein Glas Bier zu trinken und eine Pfeife zu rauchen, bis er auf diese oder jene Art dem Archivarius bekannt und mit ihm Гјber das GeschГ¤ft des Abschreibens der Manuskripte einig geworden, welches der Student Anselmus dankbarlichst annahm. "Sie verdienen Gottes Lohn, werter Registrator, wenn Sie den jungen Menschen zur Raison bringen," sagte der Konrektor Paulmann.В вЂ“ "Gottes Lohn!" wiederholte Veronika, indem sie die Augen fromm zum Himmel erhob und lebhaft daran dachte, wie der Student Anselmus schon jetzt ein recht artiger junger Mann sei, auch ohne Raison!В вЂ“ Als der Archivarius Lindhorst eben mit Hut und Stock zur TГјr hinausschreiten wollte, da ergriff der Registrator Heerbrand den Studenten Anselmus rasch bei der Hand, und mit ihm dem Archivarius den Weg vertretend, sprach er: "GeschГ¤tztester Herr geheimer Archivarius, hier ist der Student Anselmus, der, ungemein geschickt im SchГ¶nschreiben und Zeichnen, Ihre seltenen Manuskripte kopieren will."В вЂ“ "Das ist mir ganz ungemein lieb," erwiderte der Archivarius Lindhorst rasch, warf den dreieckigen soldatischen Hut auf den Kopf und eilte, den Registrator Heerbrand und den Studenten Anselmus bei Seite schiebend, mit vielem GerГ¤usch die Treppe hinab, so daГџ beide ganz verblГјfft dastanden und die StubentГјr anguckten, die er dicht vor ihnen zugeschlagen, daГџ die Angeln klirrten. "Das ist ja ein ganz wunderlicher alter Mann," sagte der Registrator Heerbrand,В вЂ“ "Wunderlicher alter Mann," stotterte der Student Anselmus nach, fГјhlend, wie ein Eisstrom ihm durch alle Adern frГ¶stelte, daГџ er beinahe zur starren BildsГ¤ule geworden. Aber alle GГ¤ste lachten und sagten: "Der Archivarius war heute einmal wieder in seiner besonderen Laune, morgen ist er gewiГџ sanftmГјtig und spricht kein Wort, sondern sieht in die Dampfwirbel seiner Pfeife oder liest Zeitungen; man muГџ sich daran gar nicht kehren."В вЂ“ "Das ist auch wahr" dachte der Student Anselmus, "wer wird sich an so etwas kehren! Hat der Herr Archivarius nicht gesagt, es sei ihm ganz ungemein lieb, daГџ ich seine Manuskripte kopieren wolle?В вЂ“ Und warum vertrat ihm auch der Registrator Heerbrand den Weg, als er gerade nach Hause gehen wollte?В вЂ“ Nein, nein, es ist ein lieber Mann, im Grunde genommen, der Herr geheime Archivarius Lindhorst, und liberal erstaunlich вЂ“ nur kurios in absonderlichen Redensarten.В вЂ“ Allein was schadet das mir?В вЂ“ Morgen gehe ich hin Punkt zwГ¶lf Uhr, und setzten sich hundert bronzierte Г„pfelweiber dagegen."

Vierte Vigilie

Wohl darf ich geradezu Dich selbst, gГјnstiger Leser, fragen, ob Du in Deinem Leben nicht Stunden, ja Tage und Wochen hattest, in denen Dir allвЂ™ Dein gewГ¶hnliches Tun und Treiben ein recht quГ¤lendes MiГџbehagen erregte, und in denen Dir, alles was Dir sonst recht wichtig und wert in Sinn und Gedanken zu tragen vorkam, nun lГ¤ppisch und nichtswГјrdig erschien. Du wuГџtest dann selbst nicht, was Du tun und wohin Du Dich wenden solltest. Ein dunkles GefГјhl, es mГјsse irgendwo und zu irgend einer Zeit ein hoher, den Kreis alles irdischen Genusses Гјberschreitender Wunsch erfГјllt werden, den der Geist, wie ein strenggehaltenes furchtsames Kind gar nicht auszusprechen wage, erhob Deine Brust, und in dieser Sehnsucht nach dem unbekannten Etwas, das Dich Гјberall, wo Du gingst und standest, wie ein duftiger Traum mit durchsichtigen, vor dem schГ¤rferen Blick zerflieГџenden Gestalten umschwebte, verstummtest Du fГјr alles was Dich hier umgab. Du schlichst mit trГјbem Blick umher wie ein hoffnungslos Liebender, und alles, was Du die Menschen auf allerlei Weise im bunten GewГјhl durcheinander treiben sahst, erregte Dir keinen Schmerz und keine Freude, als gehГ¶rtest Du nicht mehr dieser Welt an. Ist Dir, gГјnstiger Leser, jemals so zu Mute gewesen, so kennst Du selbst aus eigener Erfahrung den Zustand, in dem sich der Student Anselmus befand. Гњberhaupt wГјnschte ich, es wГ¤re mir schon jetzt gelungen, Dir, geneigter Leser, den Studenten Anselmus recht lebhaft vor Augen zu bringen. Denn in der Tat, ich habe in den Nachtwachen, die ich dazu verwende, seine hГ¶chst sonderbare Geschichte aufzuschreiben, noch so viel Wunderliches, das wie eine spukhafte Erscheinung das alltГ¤gliche Leben ganz gewГ¶hnlicher Menschen ins Blaue hinausrГјckte, zu erzГ¤hlen, daГџ mir bange ist, Du werdest am Ende weder an den Studenten Anselmus noch an den Archivarius Lindhorst glauben, ja wohl gar einige ungerechte Zweifel gegen den Konrektor Paulmann und den Registrator Heerbrand hegen, unerachtet wenigstens die letztgenannten achtbaren MГ¤nner noch jetzt in Dresden umherwandeln. Versuche es, geneigter Leser, in dem feenhaften Reiche voll herrlicher Wunder, die die hГ¶chste Wonne, sowie das tiefste Entsetzen in gewaltigen SchlГ¤gen hervorrufen, ja, wo die ernste GГ¶ttin ihren Schleier lГјftet, daГџ wir ihr Antlitz zu schauen wГ¤hnen вЂ“ aber ein LГ¤cheln schimmert oft aus dem ernsten Blick, und das ist der neckhafte Scherz, der in allerlei verwirrendem Zauber mit uns spielt, so wie die Mutter oft mit ihren liebsten Kindern tГ¤ndelt вЂ“ ja, in diesem Reiche, das uns der Geist so oft, wenigstens im Traume aufschlieГџt, versuche es, geneigter Leser, die bekannten Gestalten, wie sie tГ¤glich, wie man zu sagen pflegt, im gemeinen Leben, um Dich herwandeln, wiederzuerkennen. Du wirst dann glauben, daГџ Dir jenes herrliche Reich viel nГ¤her liege, als Du sonst wohl meintest, welches ich nun eben recht herzlich wГјnsche, und Dir in der seltsamen Geschichte des Studenten Anselmus anzudeuten strebe.В вЂ“ Also, wie gesagt, der Student Anselmus geriet seit jenem Abende, als er den Archivarius Lindhorst gesehen, in ein trГ¤umerisches HinbrГјten, daГџ [das] ihn fГјr jede Г¤uГџere BerГјhrung des gewГ¶hnlichen Lebens unempfindlich machte. Er fГјhlte, wie ein unbekanntes Etwas in seinem Innersten sich regte und ihm jenen wonnevollen Schmerz verursachte, der eben die Sehnsucht ist, welche dem Menschen ein anderes, hГ¶heres Sein verheiГџt. Am liebsten war es ihm, wenn er allein durch Wiesen und WГ¤lder schweifen und wie losgelГ¶st von allem, was ihn an sein dГјrftiges Leben fesselte, nur im Anschauen der mannigfachen Bilder, die aus seinem Innern stiegen, sich gleichsam selbst wiederfinden konnte. So kam es denn, daГџ er einst, von einem weiten Spaziergange heimkehrend, bei jenem merkwГјrdigen Holunderbusch vorГјberschritt, unter dem er damals wie von Feerei befangen, so viel Seltsames sah; er fГјhlte sich wunderbarlich von dem grГјnen heimatlichen Rasenfleck angezogen, aber kaum hatte er sich daselbst niedergelassen, als alles, was er damals wie in einer himmlischen VerzГјckung geschaut, und das wie von einer fremden Gewalt aus seiner Seele verdrГ¤ngt worden, ihm wieder in den lebhaftesten Farben vorschwebte, als sГ¤he er es zum zweiten Mal. Ja, noch deutlicher als damals war es ihm, daГџ die holdseligen blauen Augen der goldgrГјnen Schlange angehГ¶ren, die in der Mitte des Holunderbaumes sich emporwand, und daГџ in den Windungen des schlanken Leibes allвЂ™ die herrlichen Krystall-GlockentГ¶ne hervorblitzen muГџten, die ihn mit Wonne und EntzГјcken erfГјllten. So wie damals am Himmelfahrtstage, umfaГџte er den Holunderbaum und rief in die Zweige und BlГ¤tter hinein: "Ach nur noch einmal schlГ¤ngle und schlinge und winde Dich, Du holdes grГјnes SchlГ¤nglein, in den Zweigen, daГџ ich Dich schauen mag! Nur noch einmal blicke mich an mit Deinen holdseligen Augen! Ach ich liebe Dich ja und muГџ in Trauer und Schmerz vergehen, wenn Du nicht wiederkehrst!" Alles blieb jedoch stumm und still, und wie damals rauschte der Holunderbaum nur ganz unvernehmlich mit seinen Zweigen und BlГ¤ttern. Aber dem Studenten Anselmus war es als wisse er nun, was sich in seinem Innern so rege und bewege, ja was seine Brust so im Schmerz einer unendlichen Sehnsucht zerreiГџe. "Ist es denn etwas anderes," sprach er, "als daГџ ich Dich so ganz mit voller Seele bis zum Tode liebe, Du herrliches goldenes SchlГ¤ngelein, ja daГџ ich ohne Dich nicht zu leben vermag und vergehen muГџ in hoffnungsloser Not, wenn ich Dich nicht wiedersehe, Dich nicht habe wie die Geliebte meines Herzens вЂ“ aber ich weiГџ es, Du wirst mein und dann alles, was herrliche TrГ¤ume aus einer andern hГ¶hern Welt mir verheiГџen, erfГјllt sein."В вЂ“ Nun ging der Student Anselmus jeden Abend, wenn die Sonne nur noch in die Spitzen der BГ¤ume ihr funkelndes Gold streute, unter den Holunderbaum und rief aus tiefer Brust mit ganz klГ¤glichen TГ¶nen in die BlГ¤tter und Zweige hinein nach der holden Geliebten, dem goldgrГјnen SchlГ¤nglein. Als er dieses wieder einmal nach gewГ¶hnlicher Weise trieb, stand plГ¶tzlich ein langer hagerer Mann in einem weiten lichtgrauen Гњberrock gehГјllt und rief, indem er ihn mit seinen groГџen feurigen Augen anblitzte: "Hei, hei, was klagt und winselt denn da?В вЂ“ Hei, hei, das ist ja Herr Anselmus, der meine Manuskripte kopieren will." Der Student Anselmus erschrak nicht wenig vor der gewaltigen Stimme; denn es war ja dieselbe, die damals am Himmelfahrtstage gerufen: Hei, hei! was ist das fГјr ein Gemunkel und GeflГјster usw. Er konnte vor Staunen und Schreck kein Wort herausbringen.В вЂ“ "Nun, was ist Ihnen denn, Herr Anselmus?" fuhr der Archivarius Lindhorst fort (niemand anders war der Mann im weiГџgrauen Гњberrock), "was wollen Sie von dem Holunderbaum und warum sind Sie denn nicht zu mir gekommen, um Ihre Arbeit anzufangen?"В вЂ“ Wirklich hatte der Student Anselmus es noch nicht Гјber sich vermocht, den Archivarius Lindhorst wieder in seinem Hause aufzusuchen, unerachtet er sich jenen Abend ganz dazu ermutigt; in diesem Augenblick aber, als er seine schГ¶nen TrГ¤ume und noch dazu durch dieselbe feindselige Stimme, die schon damals ihm die Geliebte geraubt, zerrissen sah, erfaГџte ihn eine Art Verzweiflung und er brach ungestГјm los: "Sie mГ¶gen mich nun fГјr wahnsinnig halten oder nicht, Herr Archivarius, das gilt mir ganz gleich, aber hier auf diesem Baume erblickte ich am Himmelfahrtstage die goldgrГјne Schlange вЂ“ ach! die ewig Geliebte meiner Seele und sie sprach zu mir in herrlichen KristalltГ¶nen, aber Sie вЂ“ Sie, Herr Archivarius, schrieen und riefen so schrecklich Гјbers Wasser her."В вЂ“ "Wie das, mein GГ¶nner?" unterbrach ihn der Archivarius Lindhorst, indem er ganz sonderbar lГ¤chelnd eine Prise nahm.В вЂ“ Der Student Anselmus fГјhlte, wie seine Brust sich erleichterte, als es ihm nur gelungen, von jenem wunderbaren Abenteuer anzufangen und es war ihm als sei es schon ganz recht, daГџ er den Archivarius geradezu beschuldigt: er sei es gewesen, der so aus der Ferne gedonnert. Er nahm sich zusammen, sprechend: "Nun, so will ich denn alles erzГ¤hlen, was mir an dem Himmelfahrtsabende VerhГ¤ngnisvolles begegnet und dann mГ¶gen Sie reden und tun und Гјberhaupt denken Гјber mich was Sie wollen."В вЂ“ Er erzГ¤hlte nun wirklich die ganze wunderliche Begebenheit von dem unglГјcklichen Tritt in den Г„pfelkorb an, bis zum Entfliehen der drei goldgrГјnen Schlangen Гјbers Wasser und wie ihn nun die Menschen fГјr betrunken oder wahnsinnig gehalten. "Das alles," schloГџ der Student Anselmus, "habe ich wirklich gesehen und tief in der Brust ertГ¶nen noch im hellen Nachklange die lieblichen Stimmen, die zu mir sprachen; es war keineswegs ein Traum und soll ich nicht vor Liebe und Sehnsucht sterben, so muГџ ich an die goldgrГјnen Schlangen glauben, unerachtet ich an Ihrem LГ¤cheln, werter Herr Archivarius, wahrnehme, daГџ Sie eben diese Schlangen nur fГјr ein Erzeugnis meiner erhitzten, Гјberspannten Einbildungskraft halten."В вЂ“ "Mit nichten," erwiderte der Archivarius in der grГ¶Гџten Ruhe und Gelassenheit, "die goldgrГјnen Schlangen, die Sie, Herr Anselmus, in dem Holunderbusch gesehen, waren nun eben meine drei TГ¶chter, und daГџ Sie sich in die blauen Augen der jГјngsten, Serpentina genannt, gar sehr verliebt, das ist nun wohl klar. Ich wuГџte es Гјbrigens schon am Himmelfahrtstage und da mir zu Hause, am Arbeitstisch sitzend, des Gemunkels und Geklingels zuviel wurde, rief ich den losen Dirnen zu, daГџ es Zeit sei nach Hause zu eilen; denn die Sonne ging schon unter und sie hatten sich genug mit Singen und Strahlentrinken erlustigt!"В вЂ“ Dem Studenten Anselmus war es als wГјrde ihm nur etwas mit deutlichen Worten gesagt, was er lГ¤ngst geahnt; und ob er gleich zu bemerken glaubte, daГџ sich Holunderbusch, Mauer, Rasenboden und alle GegenstГ¤nde rings umher leise zu drehen anfingen, so raffte er sich doch zusammen und wollte etwas reden; aber der Archivarius lieГџ ihn nicht zu Worte kommen, sondern zog schnell den Handschuh von der linken Hand, und indem er den in wunderbaren Funken und Flammen blitzenden Stein eines Ringes dem Studenten vor die Augen hielt, sprach er: Schauen Sie her, werter Herr Anselmus, Sie kГ¶nnen darГјber, was Sie erblicken, eine Freude haben. Der Student Anselmus schaute hin, und, o Wunder! Der Stein warf wie aus einem brennenden Fokus Strahlen rings herum, und die Strahlen verspannen sich zum hellen, leuchtenden Kristallspiegel, in dem in mancherlei Windungen, bald einander fliehend, bald sich in einander schlingend, die drei goldgrГјnen SchlГ¤nglein tanzten und hГјpften. Und wenn die schlanken in tausend Funken blitzenden Leiber sich berГјhrten, da erklangen herrliche Akkorde wie Kristallglocken und die mittelste streckte wie voll Sehnsucht und Verlangen das KГ¶pfchen zum Spiegel heraus und die dunkelblauen Augen sprachen: Kennst Du mich denn вЂ“ glaubst Du denn an mich, Anselmus?В вЂ“ nur in dem Glauben ist Liebe вЂ“ kannst Du denn lieben?В вЂ“ O Serpentina, Serpentina! schrie der Student Anselmus in wahnsinnigem EntzГјcken; aber der Archivarius Lindhorst hauchte schnell auf den Spiegel, da fuhren in elektrischem Geknister die Strahlen in den Fokus zurГјck, und an der Hand blitzte nur wieder ein kleiner Smaragd, Гјber den der Archivarius den Handschuh zog. Haben Sie die goldnen SchlГ¤nglein gesehen, Herr Anselmus? fragte der Archivarius Lindhorst. Ach Gott, ja! erwiderte der Student, und die holde liebliche Serpentina. Still! fuhr der Archivarius Lindhorst fort, genug fГјr heute! Гјbrigens kГ¶nnen Sie ja, wenn Sie sich entschlieГџen wollen bei mir zu arbeiten, meine TГ¶chter oft genug sehen, oder vielmehr, ich will Ihnen das wahrhaftige VergnГјgen verschaffen, wenn Sie sich bei der Arbeit recht brav halten, das heiГџt: mit der grГ¶Гџten Genauigkeit und Reinheit jedes Zeichen kopieren. Aber Sie kommen ja gar nicht zu mir, unerachtet mir der Registrator Heerbrand versicherte, Sie wГјrden sich nГ¤chstens einfinden und ich deshalb mehrere Tage vergebens gewartet.В вЂ“ Sowie der Archivarius Lindhorst den Namen Heerbrand nannte, war es dem Studenten Anselmus erst wieder, als stehe er wirklich mit beiden FГјГџen auf der Erde und er wГ¤re wirklich der Student Anselmus, und der vor ihm stehende Mann der Archivarius Lindhorst. Der gleichgГјltige Ton, in dem dieser sprach, hatte im grellen Kontrast mit den wunderbaren Erscheinungen, die er wie ein wahrhafter Nekromant hervorrief, etwas Grauenhaftes, das durch den stechenden Blick der funkelnden Augen, die aus den knГ¶chernen HГ¶hlen des magern, runzligen Gesichts wie aus einem GehГ¤use hervorstrahlten, noch erhГ¶ht wurde, und den Studenten ergriff mit Macht dasselbe unheimliche GefГјhl, welches sich seiner schon auf dem Kaffeehause bemeisterte, als der Archivarius so viel Abenteuerliches erzГ¤hlte. Nur mit MГјhe faГџte er sich, und als der Archivarius nochmals fragte: nun, warum sind Sie denn nicht zu mir gekommen? da erhielt er es Гјber sich, alles zu erzГ¤hlen, was ihm an der HaustГјr begegnet. Lieber Herr Anselmus, sagte der Archivarius, als der Student seine ErzГ¤hlung geendet, lieber Herr Anselmus, ich kenne wohl das Г„pfelweib, von dem Sie zu sprechen belieben; es ist eine fatale Kreatur, die mir allerhand Possen spielt, und daГџ sie sich hat bronzieren lassen, um als TГјrklopfer die mir angenehmen Besuche zu verscheuchen, das ist in der Tat sehr arg und nicht zu leiden. Wollten Sie doch, werter Herr Anselmus, wenn Sie morgen um zwГ¶lf Uhr zu mir kommen und wieder etwas von dem Angrinsen und Anschnarren vermerken, ihr gefГ¤lligst etwas Weniges von diesem LikГ¶r auf die Nase trГ¶pfeln; dann wird sich sogleich alles geben.

Und nun Adieu! lieber Herr Anselmus, ich gehe etwas rasch, deshalb will ich Ihnen nicht zumuten, mit mir nach der Stadt zurГјckzukehren. Adieu! auf Wiedersehen, morgen um zwГ¶lf Uhr.В вЂ“ Der Archivarius hatte dem Studenten Anselmus ein kleines FlГ¤schchen mit einem goldgelben LikГ¶r gegeben und nun schritt er rasch von dannen, so daГџ er in der tiefen DГ¤mmerung, die unterdessen eingebrochen, mehr in das Tal hinabzuschweben als zu gehen schien. Schon war er in der NГ¤he des Koselschen Gartens, da setzte sich der Wind in den weiten Гњberrock und trieb die SchГ¶Гџe auseinander, daГџ sie wie ein Paar groГџe FlГјgel in den LГјften flatterten und es dem Studenten Anselmus, der verwunderungsvoll dem Archivarius nachsah, vorkam, als breite ein groГџer Vogel die Fittiche aus zum raschen Fluge.В вЂ“ Wie der Student nun so in die DГ¤mmerung hineinstarrte, da erhob sich mit krГ¤chzendem Geschrei ein weiГџgrauer Geier hoch in die LГјfte und er merkte nun wohl, daГџ das weiГџe Geflatter, das er noch immer fГјr den davonschreitenden Archivarius gehalten, schon eben der Geier gewesen sein mГјsse, unerachtet er nicht begreifen konnte, wo denn der Archivarius mit einem Male hingeschwunden. "Er kann aber auch selbst in Person davongeflogen sein, der Herr Archivarius Lindhorst," sprach der Student Anselmus zu sich selbst; "denn ich sehe und fГјhle nun wohl, daГџ alle die fremden Gestalten aus einer fernen wundervollen Welt, die ich sonst nur in ganz besondern merkwГјrdigen TrГ¤umen schaute, jetzt in mein waches reges Leben geschritten sind und ihr Spiel mit mir treiben.В вЂ“ Dem sei aber wie ihm wolle! Du lebst und glГјhst in meiner Brust, holde, liebliche Serpentina, nur Du kannst die unendliche Sehnsucht stillen, die mein Innerstes zerreiГџt. Ach, wann werde ich in Dein holdseliges Auge blicken, liebe, liebe Serpentina!"В вЂ“ So rief der Student Anselmus ganz laut.В вЂ“ "Das ist ein schnГ¶der unchristlicher Name," murmelte eine BaГџstimme neben ihm, die einem heimkehrenden SpaziergГ¤nger gehГ¶rte. Der Student Anselmus, zu rechter Zeit erinnert wo er war, eilte raschen Schrittes von dannen, indem er bei sich selbst dachte: wГ¤re es nicht ein rechtes UnglГјck, wenn mir jetzt der Konrektor Paulmann oder der Registrator Heerbrand begegnete!В вЂ“ Aber er begegnete keinem von beiden.

FГјnfte Vigilie

Mit dem Anselmus ist nun einmal in der Welt nichts anzufangen, sagte der Konrektor Paulmann, alle meine guten Lehren, alle meine Ermahnungen sind fruchtlos, er will sich ja zu gar nichts applizieren, unerachtet er die besten Schulstudia besitzt, die denn doch die Grundlage von allem sind. Aber der Registrator Heerbrand erwiderte schlau und geheimnisvoll lГ¤chelnd: Lassen Sie dem Anselmus doch nur Raum und Zeit, wertester Konrektor, das ist ein kurioses Subjekt, aber es steckt viel in ihm und wenn ich sage: viel, so heiГџt das: ein geheimer SekretГ¤r, oder wohl gar ein Hofrat.В вЂ“ Hof вЂ“ fing der Konrektor im grГ¶Гџten Erstaunen an, das Wort blieb ihm stecken.В вЂ“ Still, still, fuhr der Registrator Heerbrand fort, ich weiГџ, was ich weiГџ! Schon seit zwei Tagen sitzt er bei dem Archivarius Lindhorst und kopiert, und der Archivarius sagte gestern Abend auf dem Kaffeehause zu mir: Sie haben mir einen wackern Mann empfohlen, Verehrter; aus dem wird was; вЂ“ und nun bedenken Sie des Archivarii Konnexionen вЂ“ still вЂ“ still вЂ“ sprechen wir uns Гјbers Jahr!В вЂ“ Mit diesen Worten ging der Registrator in fortwГ¤hrendem schlauem LГ¤cheln zur TГјr hinaus und lieГџ den vor Erstaunen und Neugier verstummten Konrektor im Stuhle festgebannt sitzen. Aber auf Veronika hatte das GesprГ¤ch einen ganz eignen Eindruck gemacht. Habe ichвЂ™s denn nicht schon immer gewuГџt, dachte sie, daГџ der Herr Anselmus ein recht gescheiter, liebenswГјrdiger junger Mann ist, aus dem noch was GroГџes wird? Wenn ich nur wГјГџte, ob er mir wirklich gut ist!В вЂ“ Aber hat er mir nicht jenen Abend, als wir Гјber die Elbe fuhren, zweimal die Hand gedrГјckt? Hat er mich nicht im Duett angesehen mit solchen ganz sonderbaren Blicken, die bis ins Herz drangen? Ja, ja, er ist mir wirklich gut вЂ“ und ich вЂ“ Veronika ГјberlieГџ sich ganz, wie junge MГ¤dchen wohl pflegen, den sГјГџen TrГ¤umen von einer heitern Zukunft. Sie war Frau HofrГ¤tin, bewohnte ein schГ¶nes Logis in der SchloГџgasse oder auf dem Neumarkt, oder auf der MoritzstraГџe вЂ“ der moderne Hut, der neue tГјrkische Schal stand ihr vortrefflich вЂ“ sie frГјhstГјckte im eleganten Negligee im Erker, der KГ¶chin die nГ¶tigen Befehle fГјr den Tag erteilend. "Aber daГџ Sie mir die SchГјssel nicht verdirbt, es ist des Herrn Hofrats Leibessen!"В вЂ“ VorГјbergehende Elegants schielen herauf, sie hГ¶rt deutlich: "Es ist doch eine gГ¶ttliche Frau, die HofrГ¤tin, wie ihr das SpitzenhГ¤ubchen so allerliebst steht!"В вЂ“ Die geheime RГ¤tin Ypsilon schickt den Bedienten und lГ¤Гџt fragen, ob es der Frau HofrГ¤tin gefГ¤llig wГ¤re, heute ins Linkesche Bad zu fahren?В вЂ“ "Viel Empfehlungen, es tГ¤te mir unendlich leid, ich sei schon engagiert zum Tee bei der PrГ¤sidentin Tz."В вЂ“ Da kommt der Hofrat Anselmus, der schon frГјh in GeschГ¤ften ausgegangen, zurГјck; er ist nach der letzten Mode gekleidet; "wahrhaftig schon zehn," ruft er, indem er die goldne Uhr repetieren lГ¤Гџt und der jungen Frau einen KuГџ gibt: "wie gehtвЂ™s, liebes Weibchen, weiГџt Du auch, was ich fГјr Dich habe?" fГ¤hrt er schГ¤kernd fort und zieht ein Paar herrliche, nach der neuesten Art gefaГџte Ohrringe aus der Westentasche, die er ihr statt der sonst getragenen gewГ¶hnlichen einhГ¤ngt. "Ach, die schГ¶nen niedlichen Ohrringe!" ruft Veronika ganz laut und springt, die Arbeit wegwerfend, vom Stuhl auf, um in dem Spiegel die Ohrringe wirklich zu beschauen. "Nun, was soll denn das sein?" sagte der Konrektor Paulmann, der, eben in Cicero de officiis vertieft, beinahe das Buch fallen gelassen, "man hat ja AnfГ¤lle wie der Anselmus." Aber da trat der Student Anselmus, der wider seine Gewohnheit sich mehrere Tage nicht hatte sehen lassen ins Zimmer, zu Veronikas Schreck und Erstaunen, denn in der Tat war er in seinem ganzen Wesen verГ¤ndert. Mit einer gewissen Bestimmtheit, die ihm sonst gar nicht eigen, sprach er von ganz andern Tendenzen seines Lebens, die ihm klar geworden, von den herrlichen Aussichten, die sich ihm geГ¶ffnet, die mancher aber gar nicht zu schauen vermГ¶chte. Der Konrektor Paulmann wurde, der geheimnisvollen Rede des Registrators Heerbrand gedenkend, noch mehr betroffen und konnte kaum eine Silbe hervorbringen, als der Student Anselmus, nachdem er einige Worte von dringender Arbeit bei dem Archivarius Lindhorst fallen gelassen und der Veronika mit eleganter Gewandtheit die Hand gekГјГџt, schon die Treppe hinunter, auf und von dannen war. "Das war ja schon der Hofrat," murmelte Veronika in sich hinein, "und er hat mir die Hand gekГјГџt, ohne dabei auszugleiten oder mir auf den FuГџ zu treten, wie sonst!В вЂ“ er hat mir einen recht zГ¤rtlichen Blick zugeworfen вЂ“ er ist mir wohl in der Tat gut."В вЂ“ Veronika ГјberlieГџ sich aufs neue jener TrГ¤umerei, indessen war es als trГ¤te immer eine feindselige Gestalt unter die lieblichen Erscheinungen, wie sie aus dem kГјnftigen hГ¤uslichen Leben als Frau HofrГ¤tin hervorgingen, und die Gestalt lachte recht hГ¶hnisch und sprach: "das ist ja alles recht dummes ordinГ¤res Zeug und noch dazu erlogen, denn der Anselmus wird nimmermehr Hofrat und Dein Mann; er liebt Dich ja nicht, unerachtet Du blaue Augen hast und einen schlanken Wuchs und eine feine Hand."В вЂ“ Da goГџ sich ein Eisstrom durch Veronikas Inneres und ein tiefes Entsetzen vernichtete die Behaglichkeit, mit der sie sich nur noch erst im SpitzenhГ¤ubchen und den eleganten Ohrringen gesehen. Die TrГ¤nen wГ¤ren ihr beinahe aus den Augen gestГјrzt und sie sprach laut: "Ach, es ist ja wahr, er liebt mich nicht und ich werde nimmermehr Frau HofrГ¤tin!" "Romanstreiche, Romanstreiche!" schrie der Konrektor Paulmann, nahm Hut und Stock und eilte zornig von dannen.В вЂ“ Das fehlte noch, seufzte Veronika und Г¤rgerte sich recht Гјber die zwГ¶lfjГ¤hrige Schwester, welche, teilnahmslos an ihrem Rahmen sitzend, fortgestickt hatte. Unterdessen war es beinahe drei Uhr geworden und nun gerade Zeit das Zimmer aufzurГ¤umen und den Kaffeetisch zu ordnen; denn die Mesdemoiselles Oster hatten sich bei der Freundin ansagen lassen. Aber hinter jedem SchrГ¤nkchen, das Veronika wegrГјckte, hinter den NotenbГјchern, die sie vom Klavier, hinter jeder Tasse, hinter der Kaffeekanne, die sie aus dem Schrank nahm, sprang jene Gestalt wie ein AlrГ¤unchen hervor und lachte hГ¶hnisch und schlug mit den kleinen Spinnenfingern Schnippchen und schrie: er wird doch nicht Dein Mann, er wird doch nicht Dein Mann! Und dann, wenn sie alles stehen und liegen lieГџ und in die Mitte des Zimmers flГјchtete, sah es mit langer Nase riesengroГџ hinter dem Ofen hervor und knurrte und schnurrte: er wird doch nicht Dein Mann! "HГ¶rst Du denn nichts, siehst Du denn nichts, Schwester?" rief Veronika, die vor Furcht und Zittern gar nichts mehr anrГјhren mochte. FrГ¤nzchen stand ganz ernsthaft und ruhig von ihrem Stickrahmen auf und sagte: "Was ist Dir denn heute, Schwester? Du wirfst ja alles durcheinander, daГџ es klippert und klappert, ich muГџ Dir nur helfen." Aber da traten schon die muntern MГ¤dchen in vollem Lachen herein und in dem Augenblick wurde nun auch Veronika gewahr, daГџ sie den Ofenaufsatz fГјr eine Gestalt und das Knarren der Гјbel verschlossenen OfentГјr fГјr die feindseligen Worte gehalten hatte. Von einem innern Entsetzen gewaltsam ergriffen, konnte sie sich aber nicht so schnell erholen, daГџ die Freundinnen nicht ihre ungewГ¶hnliche Spannung, die selbst ihre BlГ¤sse, ihr verstГ¶rtes Gesicht verriet, hГ¤tten bemerken sollen. Als sie schnell abbrechend von all dem Lustigen, das sie eben erzГ¤hlen wollten, in die Freundin drangen, was ihr denn um des Himmels willen widerfahren, muГџte Veronika eingestehen, wie sie sich ganz besondern Gedanken hingegeben und plГ¶tzlich am hellen Tage von einer sonderbaren Gespensterfurcht, die ihr sonst gar nicht eigen, Гјbermannt worden. Nun erzГ¤hlte sie so lebhaft, wie aus allen Winkeln des Zimmers ein kleines graues MГ¤nnchen sie geneckt und gehГ¶hnt habe, daГџ die Mesdemoiselles Oster sich schГјchtern nach allen Seiten umsahen und ihnen bald gar unheimlich und grausig zu Mute wurde. Da trat FrГ¤nzchen mit dem dampfenden Kaffee herein, und alle drei sich besinnend, lachten Гјber ihre eigene Albernheit. Angelika, so hieГџ die Г¤lteste Oster, war mit einem Offizier versprochen, der bei der Armee stand und von dem die Nachrichten solange ausgeblieben, daГџ man an seinem Tode, oder wenigstens an seiner schweren Verwundung kaum zweifeln konnte. Dies hatte Angelika in die tiefste BetrГјbnis gestГјrzt, aber heute war sie frГ¶hlich bis zur Ausgelassenheit, worГјber Veronika sich nicht wenig wunderte und es ihr unverhohlen Г¤uГџerte. "Liebes MГ¤dchen", sagte Angelika, "glaubst Du denn nicht, daГџ ich meinen Viktor immerdar im Herzen, in Sinn und Gedanken trage? aber eben deshalb bin ich so heiter!В вЂ“ ach Gott!В вЂ“ so glГјcklich, so selig in meinem ganzen GemГјte! denn mein Viktor ist wohl, und ich sehe ihn in weniger Zeit als Rittmeister, geschmГјckt mit den Ehrenzeichen, die ihm seine unbegrenzte Tapferkeit erwarben, wieder. Eine starke, aber durchaus nicht gefГ¤hrliche Verwundung des rechten Arms, und zwar durch den SГ¤belhieb eines feindlichen Husaren, verhindert ihn zu schreiben, und der schnelle Wechsel seines Aufenthaltes, da er durchaus sein Regiment nicht verlassen will, macht es auch noch immer unmГ¶glich mir Nachricht zu geben; aber heute Abend erhГ¤lt er die bestimmte Weisung, sich erst ganz heilen zu lassen. Er reiset morgen ab, um herzukommen, und indem er in den Wagen steigen will, erfГ¤hrt er seine Ernennung zum Rittmeister,"В вЂ“ "Aber liebe Angelika," fiel Veronika ein, "das weiГџt Du jetzt schon alles?"В вЂ“ "Lache mich nicht aus, liebe Freundin," fuhr Angelika fort, "aber Du wirst es nicht, denn kГ¶nnte nicht Dir zur Strafe gleich das kleine graue MГ¤nnchen dort hinter dem Spiegel hervorgucken?В вЂ“ Genug, ich kann mich von dem Glauben an gewisse geheimnisvolle Dinge nicht losmachen, weil sie oft genug ganz sichtbarlich und handgreiflich, mГ¶chtвЂ™ ich sagen, in mein Leben getreten. VorzГјglich kommt es mir nun garnicht einmal so wunderbar und unglaublich vor, als manchem andern, daГџ es Leute geben kann, denen eine gewisse Sehergabe eigen, die sie durch ihnen bekannte untrГјgliche Mittel in Bewegung zu setzen wissen. Es ist hier am Orte eine alte Frau, die diese Gabe besonders besitzt. Nicht sowie andere ihres Gelichters, prophezeit sie aus Karten, gegossenem Blei oder aus dem Kaffeesatze, sondern nach gewissen Vorbereitungen, an denen die fragende Person teilnimmt, erscheint in einem hellpolierten Metallspiegel ein wunderliches Gemisch von allerlei Figuren und Gestalten, welche die Alte deutet und aus ihnen die Antwort auf die Frage schГ¶pft. Ich war gestern Abend bei ihr und erhielt jene Nachrichten von meinem Viktor, an deren Wahrheit ich nicht einen Augenblick zweifle."В вЂ“ AngelikaвЂ™s ErzГ¤hlung warf einen Funken in VeronikaвЂ™s GemГјt, der schnell den Gedanken entzГјndete, die Alte Гјber den Anselmus und Гјber ihre Hoffnungen zu befragen. Sie erfuhr, daГџ die alte [Alte] Frau Rauerin hieГџe, in einer entlegenen StraГџe vor dem Seetor wohne, durchaus nur Dienstags, Mittwochs und Freitags von sieben Uhr abends, dann aber die ganze Nacht hindurch bis zum Sonnen-Aufgang zu treffen sei und es gern sehe, wenn man allein komme.В вЂ“ Es war eben Mittwoch, und Veronika beschloГџ, unter dem Vorwande die Osters nach Hause zu begleiten, die Alte aufzusuchen, welches sie denn auch in der Tat ausfГјhrte. Kaum hatte sie nГ¤mlich von den Freundinnen, die in der Neustadt wohnten, vor der ElbbrГјcke Abschied genommen, als sie geflГјgelten Schrittes vor das Seetor eilte und sich bald in der beschriebenen abgelegenen engen StraГџe befand, an deren Ende sie das kleine rote HГ¤uschen erblickte, in welchem die Frau Rauerin wohnen sollte. Sie konnte sich eines gewissen unheimlichen GefГјhls, ja eines innern Erbebens nicht erwehren, als sie vor der HaustГјr stand. Endlich raffte sie sich, des innern Widerstrebens unerachtet, zusammen, und zog an der Klingel, worauf sich die TГјr Г¶ffnete und sie durch den finstern Gang nach der Treppe tappte, die zum obern Stock fГјhrte, wie es Angelika beschrieben. "Wohnt hier nicht die Frau Rauerin?" rief sie in den Г¶den Hausflur hinein, als sich niemand zeigte; da erscholl statt der Antwort ein langes klares Miau, und ein groГџer schwarzer Kater schritt mit hochgekrГјmmtem RГјcken, den Schweif in Wellenringeln hin- und herdrehend, gravitГ¤tisch vor ihr her bis an die StubentГјr, die auf ein zweites Miau geГ¶ffnet wurde. "Ach sieh da, TГ¶chterchen, bist Du schon hier? komm herein вЂ“ herein!" So rief die heraustretende Gestalt, deren Anblick Veronika an den Boden festbannte. Ein langes, hagres, in schwarze Lumpen gehГјlltes Weib! indem sie sprach, wackelte das hervorragende spitze Kinn, verzog sich das zahnlose Maul, von der knГ¶chernen Habichtsnase beschattet, zum grinsenden LГ¤cheln, und leuchtende Katzenaugen flackerten Funken werfend durch die groГџe Brille. Aus dem bunten um den Kopf gewickelten Tuche starrten schwarze borstige Haare hervor, aber zum GrГ¤Гџlichen erhoben das ekle Antlitz zwei groГџe Brandflecke, die sich von der linken Backe Гјber die Nase wegzogen.В вЂ“ VeronikaвЂ™s Atem stockte, und der Schrei, der der gepreГџten Brust Luft machen sollte, wurde zum tiefen Seufzer, als der Hexe Knochenhand sie ergriff und in das Zimmer hineinzog. Drinnen regte und bewegte sich alles, es war ein Sinne verwirrendes Quieken und Miauen und GekrГ¤chze und Gepiepe durcheinander. Die Alte schlug mit der Faust auf den Tisch und schrie: Still da, ihr Gesindel! Und die Meerkatzen kletterten winselnd auf das hohe Himmelbett, und die Meerschweinchen liefen unter den Ofen und der Rabe flatterte auf den runden Spiegel; nur der schwarze Kater, als gingen ihn die Scheltworte nichts an, blieb ruhig auf dem groГџen Polsterstuhl sitzen, auf den er gleich nach dem Eintritt gesprungen. вЂ“

Sowie es still wurde, ermutigte sich Veronika; es war ihr nicht so unheimlich als drauГџen auf dem Flur, ja selbst das Weib schien ihr nicht mehr so scheuГџlich. Jetzt erst blickte sie im Zimmer umher.В вЂ“ Allerhand hГ¤Гџliche ausgestopfte Tiere hingen von der Decke herab, unbekanntes seltsames GerГ¤te lag durcheinander auf dem Boden, und in dem Kamin brannte ein blaues sparsames Feuer, das nur dann und wann in gelben Funken emporknisterte; aber dann rauschte es von oben herab, und ekelhafte FledermГ¤use wie mit verzerrten lachenden Menschengesichtern schwangen sich hin und her, und zuweilen leckte die Flamme herauf an der ruГџigen Mauer, und dann erklangen schneidende, heulende JammertГ¶ne, daГџ Veronika von Angst und Grausen ergriffen wurde. "Mit Verlaub, Mamsellchen," sagte die Alte schmunzelnd, erfaГџte einen groГџen Wedel und besprengte, nachdem sie ihn in einen kupfernen Kessel getaucht, den Kamin. Da erlosch das Feuer, und wie von dickem Rauch erfГјllt, wurde es stockfinster in der Stube, aber bald trat die Alte, die in ein KГ¤mmerchen gegangen, mit einem angezГјndeten Licht wieder herein, und Veronika erblickte nichts mehr von den Tieren, von den GerГ¤tschaften, es war eine gewГ¶hnliche Г¤rmlich ausstaffierte Stube. Die Alte trat ihr nГ¤her und sagte mit schnarrender Stimme: "Ich weiГџ wohl, was Du bei mir willst, mein TГ¶chterchen: was gilt es, Du mГ¶chtest erfahren, ob Du den Anselmus heiraten wirst, wenn er Hofrat worden!"В вЂ“ Veronika erstarrte vor Staunen und Schreck, aber die Alte fuhr fort: "Du hast mir ja alles gesagt zu Hause beim Papa, als die Kaffeekanne vor Dir stand, ich war ja die Kaffeekanne, hast Du mich denn nicht gekannt? TГ¶chterchen, hГ¶re! LaГџ ab, laГџ ab, von dem Anselmus, das ist ein garstiger Mensch, der hat meinen SГ¶hnlein ins Gesicht getreten, meinen lieben SГ¶hnlein, den Г„pfelchen mit den roten Backen, die, wenn sie die Leute gekauft haben, ihnen wieder aus den Taschen in meinen Korb zurГјckrollen. Er hГ¤ltвЂ™s mit dem Alten; er hat mir vorgestern den verdammten Auripigment ins Gesicht gegossen, daГџ ich beinahe darГјber erblindet, Du kannst noch die Brandflecken sehen, TГ¶chterchen! LaГџ ab von ihm, laГџ ab!В вЂ“ Er liebt Dich nicht: denn er liebt die goldgrГјne Schlange, er wird niemals Hofrat werden, weil er sich bei den Salamandern hat anstellen lassen, und er will die grГјne Schlange heiraten, laГџ ab von ihm, laГџ ab!"В вЂ“ Veronika, die eigentlich ein festes standhaftes GemГјt hatte und mГ¤dchenhaften Schreck bald zu Гјberwinden wuГџte, trat einen Schritt zurГјck und sprach mit ernsthaftem gefaГџtem Ton: "Alte! ich habe von Eurer Gabe in die Zukunft zu blicken gehГ¶rt und wollte darum, vielleicht zu neugierig und voreilig, von Euch wissen, ob wohl Anselmus, den ich liebe und hoch schГ¤tze, jemals mein werden wГјrde. Wollt Ihr mich daher, statt meinen Wunsch zu erfГјllen, mit Eurem tollen unsinnigen GeschwГ¤tze necken, so tut Ihr Unrecht; denn ich habe nur gewollt, was Ihr Andern, wie ich weiГџ, gewГ¤hrtet. Da Ihr, wie es scheint, meine innigsten Gedanken wisset, so wГ¤re es Euch vielleicht ein Leichtes gewesen, mir manches zu enthГјllen, was mich jetzt quГ¤lt und Г¤ngstigt, aber nach Euern albernen Verleumdungen des guten Anselmus mag ich von Euch weiter nichts erfahren. Gute Nacht!"В вЂ“ Veronika wollte davoneilen, da fiel die Alte weinend und jammernd auf die Knie nieder und rief das MГ¤dchen am Kleide festhaltend: "Veronikchen, kennst Du denn die alte Lise nicht mehr, die Dich so oft auf den Armen getragen und gepflegt und gehГ¤tschelt?" Veronika traute kaum ihren Augen; denn sie erkannte ihre, freilich nur durch hohes Alter und vorzГјglich durch die Brandflecke entstellte ehemalige WГ¤rterin, die vor mehreren Jahren aus des Konrektor PaulmannвЂ™s Hause verschwand. Die Alte sah auch nun ganz anders aus, sie hatte statt des hГ¤Гџlichen buntgefleckten Tuches, eine ehrbare Haube, und statt der schwarzen Lumpen eine groГџblumige Jacke an, wie sie sonst wohl gekleidet gegangen. Sie stand vom Boden auf und fuhr, Veronika in ihre Arme nehmend, fort: es mag Dir alles, was ich Dir gesagt, wohl recht toll vorkommen, aber es ist dem leider so. Der Anselmus hat mir viel zu Leide getan, doch wider seinen Willen; er ist dem Archivarius Lindhorst in die HГ¤nde gefallen, und der will ihn mit seiner Tochter verheiraten. Der Archivarius ist mein grГ¶Гџter Feind, und ich kГ¶nnte Dir allerlei Dinge von ihm sagen, die wГјrdest Du aber nicht verstehen, oder Dich doch sehr entsetzen. Er ist der weise Mann, aber ich bin die weise Frau вЂ“ es mag darum sein!В вЂ“ Ich merke nun wohl, daГџ Du den Anselmus recht lieb hast, und ich will Dir mit allen KrГ¤ften beistehen, daГџ Du recht glГјcklich werden und fein ins Ehebett kommen sollst, wie Du es wГјnschest."В вЂ“ "Aber sage Sie mir um des Himmels willen, Lise!" fiel Veronika ein вЂ“ Still, Kind вЂ“ still! unterbrach sie die Alte, ich weiГџ was Du sagen willst, ich bin das worden, was ich bin, weil ich es werden muГџte, ich konnte nicht anders. Nun also!В вЂ“ ich kenne das Mittel, das den Anselmus von der tГ¶richten Liebe zur grГјnen Schlange heilt und ihn als den liebenswГјrdigsten Hofrat in Deine Arme fГјhrt; aber Du muГџt helfen!В вЂ“ "Sage es nur gerade heraus, Lise! ich will ja alles tun; denn ich liebe den Anselmus sehr!" lispelte Veronika kaum hГ¶rbar.В вЂ“ Ich kenne Dich, fuhr die Alte fort, als ein beherztes Kind, vergebens habe ich Dich mit dem Wauwau zum Schlaf treiben wollen: denn gerade alsdann Г¶ffnetest Du die Augen, um den Wauwau zu sehen; Du gingst ohne Licht in die hinterste Stube und erschrecktest oft in des Vaters Pudermantel des Nachbars Kinder. Nun also!В вЂ“ istвЂ™s Dir Ernst, durch meine Kunst den Archivarius Lindhorst und die grГјne Schlange zu Гјberwinden, istвЂ™s Dir Ernst, den Anselmus als Hofrat Deinen Mann zu nennen, so schleiche Dich in der kГјnftigen Tag- und Nachtgleiche nachts um elf Uhr aus des Vaters Hause und komme zu mir; ich werde dann mit Dir auf den Kreuzweg gehen, der unfern das Feld durchschneidet, wir bereiten das nГ¶tige, und alles wunderliche was Du vielleicht erblicken wirst, soll Dich nicht anfechten. Und nun, TГ¶chterchen, gute, Nacht, der Papa wartet schon mit der Suppe.В вЂ“ Veronika eilte von dannen, fest stand bei ihr der EntschluГџ, die Nacht des Г„quinoktiums nicht zu versГ¤umen, denn, dachte sie, die Lise hat Recht, der Anselmus ist verstrickt in wunderliche Bande, aber ich erlГ¶se ihn daraus und nenne ihn mein immerdar und ewiglich, mein ist und bleibt er, der Hofrat Anselmus.

Sechste Vigilie

Es kann aber auch sein, sprach der Student Anselmus zu sich selbst, daГџ der superfeine starke MagenlikГ¶r, den ich bei dem Monsieur Conradi etwas begierig genossen, alle die tollen Phantasmata geschaffen, die mich vor der HaustГјr des Archivarius Lindhorst Г¤ngsteten. Deshalb bleibe ich heute ganz nГјchtern und will nun wohl allem weitern Ungemach, das mir begegnen kГ¶nnte, Trotz bieten.В вЂ“ Sowie damals, als er sich zum ersten Besuch bei dem Archivarius Lindhorst rГјstete, steckte er seine Federzeichnungen und kalligraphischen Kunstwerke, seine Tuschstangen, seine wohlgespitzten Rabenfedern ein, und schon wollte er zur TГјr hinausschreiten, als ihm das FlГ¤schchen mit dem gelben LikГ¶r in die Augen fiel, das er von dem Archivarius Lindhorst erhalten. Da gingen ihm wieder allвЂ™ die seltsamen Abenteuer, welche er erlebt, mit glГјhenden Farben durch den Sinn, und ein namenloses GefГјhl von Wonne und Schmerz durchschnitt seine Brust. UnwillkГјrlich rief er mit recht klГ¤glicher Stimme aus: "Ach, gehe ich denn nicht zum Archivarius, nur um Dich zu sehen, Du holde liebliche Serpentina?"В вЂ“ Es war ihm in dem Augenblick so, als kГ¶nne SerpentinaвЂ™s Liebe der Preis einer mГјhevollen gefГ¤hrlichen Arbeit sein, die er unternehmen mГјГџte, und diese Arbeit sei keine andere, als das Kopieren der Lindhorstischen Manuskripte.В вЂ“ DaГџ ihm schon beim Eintritt ins Haus, oder vielmehr noch vor demselben allerlei wunderliches begegnen kГ¶nne, wie neulich, davon war er Гјberzeugt. Er dachte nicht mehr an ConradiвЂ™s Magenwasser, sondern steckte schnell den LikГ¶r in die Westentasche, um ganz nach des Archivarius Vorschrift zu verfahren, wenn das bronzierte Г„pfelweib sich unterstehen sollte ihn anzugrinsen.В вЂ“ Erhob sich denn nicht auch wirklich gleich die spitze Nase; funkelten nicht die Katzenaugen aus dem TГјrdrГјcker, als er ihn auf den Schlag zwГ¶lf Uhr ergreifen wollte?В вЂ“ Da spritzte er, ohne sich weiter zu bedenken, den LikГ¶r in das fatale Gesicht hinein, und es glГ¤ttete und plГ¤ttete sich augenblicklich aus zum glГ¤nzenden kugelrunden TГјrklopfer. Die TГјr ging auf, die Glocken lГ¤uteten gar lieblich durch das ganze Haus: klingling вЂ“ JГјngling вЂ“ flink вЂ“ flink вЂ“ spring вЂ“ spring вЂ“ klingling.В вЂ“ Er stieg getrost die schГ¶ne breite Treppe hinauf und weidete sich an dem Duft des seltenen RГ¤ucherwerks, der durch das Haus floГџ. UngewiГџ blieb er auf dem Flur stehen, denn er wuГџte nicht, an welche der vielen schГ¶nen TГјren er wohl pochen sollte; da trat der Archivarius Lindhorst in einem weiten damastenen Schlafrock heraus und rief: "Nun es freut mich, Herr Anselmus, daГџ Sie endlich Wort halten, kommen Sie mir nur nach, denn ich muГџ Sie ja doch wohl gleich ins Laboratorium fГјhren." Damit schritt er schnell den langen Flur hinauf und Г¶ffnete eine kleine SeitentГјr, die in einen Korridor fГјhrte. Anselmus schritt getrost hinter dem Archivarius her; sie kamen aus dem Korridor in einen Saal oder vielmehr in ein herrliches GewГ¤chshaus, denn von beiden Seiten bis an die Decke hinauf standen allerlei seltene wunderbare Blumen, ja groГџe BГ¤ume mit sonderbar gestalteten BlГ¤ttern und BlГјten. Ein magisches blendendes Licht verbreitete sich Гјberall, ohne daГџ man bemerken konnte, wo es herkam, da durchaus kein Fenster zu sehen war. So wie der Student Anselmus in die BГјsche und BГ¤ume hineinblickte, schienen lange GГ¤nge sich in weiter Ferne auszudehnen.В вЂ“ Im tiefen Dunkel dicker Zypressenstauden schimmerten Marmorbecken, aus denen sich wunderliche Figuren erhoben, Kristallstrahlen hervorspritzend, die plГ¤tschernd niederfielen in leuchtende Lilienkelche; seltsame Stimmen rauschten und sГ¤uselten durch den Wald der wunderbaren GewГ¤chse, und herrliche DГјfte strГ¶mten auf und nieder. Der Archivarius war verschwunden und Anselmus erblickte nur einen riesenhaften Busch glГјhender Feuerlilien vor sich. Von dem Anblick, von den sГјГџen DГјften des Feengartens berauscht, blieb Anselmus festgezaubert stehen. Da fing es Гјberall an zu kichern und zu lachen und feine Stimmchen neckten und hГ¶hnten: Herr Studiosus, Herr Studiosus! wo kommen sie denn her? warum haben Sie sich denn so schГ¶n geputzt, Herr Anselmus?В вЂ“ Wollen Sie eins mit uns plappern, wie die GroГџmutter das Ei mit dem SteiГџ zerdrГјckte und der Junker einen Klecks auf die Sonntagsweste bekam? KГ¶nnen Sie die neue Arie schon auswendig, die Sie vom Papa Starmatz gelernt, Herr Anselmus?В вЂ“ Sie sehen recht possierlich aus in der glГ¤sernen PerГјcke und dem [den] postpapiernen StГјlpstiefeln!В вЂ“ So rief und kicherte und neckte es aus allen Winkeln hervor, ja dicht neben dem Studenten, der nun erst wahrnahm, wie allerlei bunte VГ¶gel ihn umflatterten und ihn so in vollem GelГ¤chter aushГ¶hnten.В вЂ“ In dem Augenblick schritt der Feuerlilienbusch auf ihn zu,В вЂ“ und er sah, daГџ es der Archivarius Lindhorst war, dessen blumigter in gelb und rot glГ¤nzender Schlafrock ihn nur getГ¤uscht hatte. "Verzeihen Sie, werter Herr Anselmus," sagte der Archivarius, "daГџ ich Sie stehn lieГџ, aber vorГјbergehend sah ich nur nach meinem schГ¶nen Kaktus, der diese Nacht seine BlГјten aufschlieГџen wird вЂ“ aber wie gefГ¤llt Ihnen denn mein kleiner Hausgarten?"В вЂ“ "Ach Gott, Гјber alle MaГџen schГ¶n ist es hier, geschГ¤tztester Herr Archivarius," erwiderte der Student, "aber die bunten VГ¶gel moquieren sich Гјber meine Wenigkeit gar zu sehr!"В вЂ“ "Was ist denn das fГјr ein GewГ¤sche?" rief der Archivarius zornig in die BГјsche hinein. Da flatterte ein groГџer grauer Papagei hervor, und sich neben dem Archivarius auf einen Myrtenast setzend und ihn ungemein ernsthaft und gravitГ¤tisch durch eine Brille, die auf dem krummen Schnabel saГџ, anblickend, schnarrte er: Nehmen Sie es nicht Гјbel, Herr Archivarius, meine mutwilligen Buben sind einmal wieder recht ausgelassen, aber der Herr Studiosus sind selbst daran schuld, denn вЂ“ "Still da! still da!" unterbrach der Archivarius den Alten, "ich kenne die Schelme, aber Er sollte sie besser in Zucht halten, mein Freund!В вЂ“ gehen wir weiter, Herr Anselmus!"В вЂ“ Noch durch manches fremdartig aufgeputzte Gemach schritt der Archivarius, so daГџ der Student ihm kaum folgen und einen Blick auf allвЂ™ die glГ¤nzenden sonderbar geformten Mobilien und andere unbekannte Sachen werfen konnte, womit alles ГјberfГјllt war. Endlich traten sie in ein groГџes Gemach, in dem der Archivarius, den Blick in die HГ¶he gerichtet, stehen blieb, und Anselmus Zeit gewann, sich an dem herrlichen Anblick, den der einfache Schmuck dieses Saals gewГ¤hrte, zu weiden.

Aus den azurblauen WГ¤nden traten die goldbronzenen StГ¤mme hoher PalmbГ¤ume hervor, welche ihre kolossalen, wie funkelnde Smaragde glГ¤nzenden BlГ¤tter oben zur Decke wГ¶lbten; in der Mitte des Zimmers ruhte auf drei aus dunkler Bronze gegossenen Г¤gyptischen LГ¶wen eine Porphyrplatte, auf welcher ein einfacher goldener Topf stand, von dem, als er ihn erblickte, Anselmus nun gar nicht mehr die Augen wegwenden konnte. Es war als spielten in tausend schimmernden Reflexen allerlei Gestalten auf dem strahlend polierten Golde вЂ“ manchmal sah er sich selbst mit sehnsГјchtig ausgebreiteten Armen вЂ“ ach! neben dem Holunderbusch вЂ“ Serpentina schlГ¤ngelte sich auf und nieder, ihn anblickend mit den holdseligen Augen. Anselmus war auГџer sich vor wahnsinnigem EntzГјcken. "Serpentina!В вЂ“ Serpentina!" schrie er laut auf, da wandte sich der Archivarius Lindhorst schnell um und sprach: "Was meinen Sie, werter Herr Anselmus?В вЂ“ Ich glaube, Sie belieben meine Tochter zu rufen, die ist aber ganz auf der andern Seite meines Hauses in ihrem Zimmer und hat soeben Klavierstunde; kommen Sie nur weiter!" Anselmus folgte beinahe besinnungslos dem davonschreitenden Archivarius, er sah und hГ¶rte nichts mehr, bis ihn der Archivarius heftig bei der Hand ergriff und sprach: "Nun sind wir an Ort und Stelle!" Anselmus erwachte wie aus einem Traum und bemerkte nun, daГџ er sich in einem hohen, rings mit BГјcherschrГ¤nken umstellten Zimmer befand, welches sich in keiner Art von gewГ¶hnlichen Bibliothek- und Studierzimmern unterschied. In der Mitte stand ein groГџer Arbeitstisch und ein gepolsterter Lehnstuhl vor demselben. "Dieses," sagte der Archivarius Lindhorst, ist vor der Hand Ihr Arbeitszimmer; ob Sie kГјnftig auch in dem andern blauen Bibliotheksaal, in dem Sie so plГ¶tzlich meiner Tochter Namen riefen, arbeiten werden, weiГџ ich noch nicht; вЂ“ aber nun wГјnschte ich mich erst von Ihrer FГ¤higkeit, die Ihnen zugedachte Arbeit wirklich meinem Wunsch und BedГјrfnis gemГ¤Гџ auszufГјhren, zu Гјberzeugen." Der Student Anselmus ermutigte sich nun ganz und gar, und zog nicht ohne innere Selbstzufriedenheit und in der Гњberzeugung, den Archivarius durch sein ungewГ¶hnliches Talent hГ¶chlich zu erfreuen, seine Zeichnungen und Schreibereien aus der Tasche. Der Archivarius hatte kaum das erste Blatt, eine Handschrift in der elegantesten englischen Schreibmanier, erblickt, als er recht sonderbar lГ¤chelte und mit dem Kopfe schГјttelte. Das wiederholte er bei jedem folgenden Blatte, so daГџ dem Studenten Anselmus das Blut in den Kopf stieg und er, als das LГ¤cheln zuletzt recht hГ¶hnisch und verГ¤chtlich wurde, in vollem Unmute losbrach: "Der Herr Archivarius scheinen mit meinen geringen Talenten nicht ganz zufrieden?"В вЂ“ "Lieber Herr Anselmus," sagte der Archivarius Lindhorst, "Sie haben fГјr die Kunst des SchГ¶nschreibens wirklich treffliche Anlagen, aber vor der Hand, sehe ich wohl, muГџ ich mehr auf Ihren FleiГџ, auf Ihren guten Willen rechnen, als auf Ihre Fertigkeit. Es mag auch wohl an den schlechten Materialien liegen, die Sie verwandt."В вЂ“ Der Student Anselmus sprach viel von seiner sonst anerkannten Kunstfertigkeit, von chinesischer Tusche und ganz auserlesenen Rabenfedern. Da reichte ihm der Archivarius Lindhorst das englische Blatt hin und sprach: "Urteilen Sie selbst!"В вЂ“ Anselmus wurde wie vom Blitz getroffen, als ihm seine Handschrift so hГ¶chst miserabel vorkam. Da war keine RГјnde in den ZГјgen, kein Druck richtig, kein VerhГ¤ltnis der groГџen und kleinen Buchstaben; ja, schГјlermГ¤Гџige schnГ¶de HahnenfГјГџe verdarben oft die sonst ziemlich geratene Zeile. "Und dann," fuhr der Archivarius Lindhorst fort, "ist Ihre Tusche auch nicht haltbar." Er tunkte den Finger in ein mit Wasser gefГјlltes Glas, und indem er nur leicht auf die Buchstaben tupfte, war alles spurlos verschwunden. Dem Studenten Anselmus war es, als schnГјre ein UngetГјm ihm die Kehle zusammen, er konnte kein Wort herausbringen. So stand er da, das unglГјckliche Blatt in der Hand, aber der Archivarius Lindhorst lachte laut auf und sagte: "Lassen Sie sich das nicht anfechten, wertester Herr Anselmus; was Sie bisher nicht vollbringen konnten, wird hier bei mir vielleicht besser sich fГјgen; ohnedies finden Sie ein besseres Material, als Ihnen sonst wohl zu Gebote stand. Fangen Sie nur getrost an!"В вЂ“ Der Archivarius Lindhorst holte erst eine flГјssige schwarze Masse, die einen ganz eigentГјmlichen Geruch verbreitete, sonderbar gefГ¤rbte, scharf zugespitzte Federn und ein Blatt von besonderer WeiГџe und GlГ¤tte, dann aber ein arabisches Manuskript aus einem verschlossenen Schranke herbei, und so wie Anselmus sich zur Arbeit gesetzt, verlieГџ er das Zimmer. Der Student Anselmus hatte schon Г¶fters arabische Schrift kopiert, die erste Aufgabe schien ihm daher nicht so schwer zu lГ¶sen. "Wie die HahnenfГјГџe in meine schГ¶ne englische Kursivschrift gekommen, mag Gott und der Archivarius Lindhorst wissen," sprach er, "aber daГџ sie nicht von meiner Hand sind, darauf will ich sterben."В вЂ“ Mit jedem Worte, das nun wohlgelungen auf dem Pergamente stand, wuchs sein Mut und mit ihm seine Geschicklichkeit. In der Tat schrieb es sich mit den Federn ganz herrlich, und die geheimnisvolle Tinte floГџ rabenschwarz und gefГјgig auf das blendend weiГџe Pergament. Als er nun so emsig und mit angestrengter Aufmerksamkeit arbeitete, wurde es ihm immer heimlicher in dem einsamen Zimmer, und er hatte sich schon ganz in das GeschГ¤ft, welches er glГјcklich zu vollenden hoffte, geschickt, als auf den Schlag drei Uhr ihn der Archivarius in das Nebenzimmer zu dem wohlbereiteten Mittagsmahl rief. Bei Tische war der Archivarius Lindhorst bei ganz besonderer heiterer Laune; er erkundigte sich nach des Studenten Anselmus Freunden, dem Konrektor Paulmann und dem Registrator Heerbrand und wuГџte vorzГјglich von dem letztern recht viel ErgГ¶tzliches zu erzГ¤hlen. Der gute alte Rheinwein schmeckte dem Anselmus gar sehr und machte ihn gesprГ¤chiger, als er wohl sonst zu sein pflegte. Auf den Schlag vier Uhr stand er auf, um an seine Arbeit zu gehen, und diese PГјnktlichkeit schien dem Archivarius Lindhorst wohl zu gefallen. War ihm schon vor dem Essen das Kopieren der arabischen Zeichen geglГјckt, so ging die Arbeit jetzt noch viel besser vonstatten, ja er konnte selbst die Schnelle und Leichtigkeit nicht begreifen, womit er die krausen ZГјge der fremden Schrift nachzumalen vermochte.В вЂ“ Aber es war als flГјsterte aus dem innersten GemГјte eine Stimme in vernehmlichen Worten: ach! kГ¶nntest du denn das vollbringen, wenn du sie nicht in Sinn und Gedanken trГјgest, wenn du nicht an sie, an ihre Liebe glaubtest?В вЂ“ Da wehte es wie in leisen, leisen, lispelnden KristallklГ¤ngen durch das Zimmer: Ich bin Dir nahe вЂ“ nahe вЂ“ nahe!В вЂ“ ich helfe Dir вЂ“ sei mutig вЂ“ sei standhaft, lieber Anselmus!В вЂ“ ich mГјhe mich mit Dir, damit Du mein werdest! Und so wie er voll inneren EntzГјckens die TГ¶ne vernahm, wurden ihm immer verstГ¤ndlicher die unbekannten Zeichen вЂ“ er durfte kaum mehr hineinblicken in das Original вЂ“ ja es war, als stГјnden schon wie in blasser Schrift die Zeichen auf dem Pergament, und er dГјrfe sie nur mit geГјbter Hand schwarz Гјberziehen. So arbeitete er fort von lieblichen trГ¶stenden KlГ¤ngen, wie von sГјГџem zartem Hauch umflossen, bis die Glocke sechs Uhr schlug und der Archivarius Lindhorst in das Zimmer trat. Er ging sonderbar lГ¤chelnd an den Tisch, Anselmus stand schweigend auf, der Archivarius sah ihn noch immer so wie in hГ¶hnendem Spott lГ¤cheld [lГ¤chelnd] an; kaum hatte er aber in die Abschrift geblickt, als das LГ¤cheln in dem tiefen feierlichen Ernst unterging, zu dem sich alle Muskeln des Gesichts verzogen.В вЂ“ Bald schien er nicht mehr derselbe. Die Augen, welche sonst funkelndes Feuer strahlten, blickten jetzt mit unbeschreiblicher Milde den Anselmus an, eine sanfte RГ¶te fГ¤rbte die bleichen Wangen, und statt der Ironie, die sonst den Mund zusammenpreГџte, schienen die weichgeformten anmutigen Lippen sich zu Г¶ffnen zur weisheitvollen ins GemГјt dringenden Rede. Die ganze Gestalt war hГ¶her, wГјrdevoller; der weite Schlafrock legte sich wie ein KГ¶nigsmantel in breiten Falten um Brust und Schultern, und durch die weiГџen LГ¶ckchen, welche an der hohen offenen Stirn lagen, schlang sich ein schmaler goldner Reif. "Junger Mensch," fing der Archivarius an im feierlichen Ton, "junger Mensch, ich habe noch ehe Du es ahntest, allвЂ™ die geheimen Beziehungen erkannt, die Dich an mein Liebstes, Heiligstes fesseln!В вЂ“ Serpentina liebt Dich, und ein seltsames Geschick, dessen verhГ¤ngnisvollen Faden feindliche MГ¤chte spannen, ist erfГјllt, wenn sie Dein wird, und wenn Du als notwendige Mitgift den goldnen Topf erhГ¤ltst, der ihr Eigentum ist. Aber nur dem Kampfe entsprieГџt Dein GlГјck im hГ¶heren Leben. Feindliche Prinzipe fallen Dich an, und nur die innere Kraft, mit der Du den Anfechtungen widerstehst, kann Dich retten von Schmach und Verderben. Indem Du hier arbeitest, Гјberstehst Du Deine Lehrzeit; Glauben und Erkenntnis fГјhren Dich zum nahen Ziele, wenn Du festhГ¤ltst an dem, was Du beginnen muГџtest. Trage sie recht getreulich im GemГјte, sie, die Dich liebt, und Du wirst die herrlichen Wunder des goldnen Topfs schauen und glГјcklich sein immerdar.В вЂ“ Gehab Dich wohl! Der Archivarius Lindhorst erwartet Dich morgen um zwГ¶lf Uhr in Deinem Kabinet!В вЂ“ Gehab Dich wohl!"В вЂ“ Der Archivarius schob den Studenten Anselmus sanft zur TГјr hinaus, die er dann verschloГџ, und er befand sich in dem Zimmer, in welchem er gespeist, dessen einzige TГјr auf den Flur fГјhrte. Ganz betГ¤ubt von den wunderbaren Erscheinungen blieb er vor der HaustГјr stehen, da wurde Гјber ihm ein Fenster geГ¶ffnet, er schaute hinauf, es war der Archivarius Lindhorst; ganz der Alte im weiГџgrauen Rocke, wie er ihn sonst gesehen.В вЂ“ Er rief ihm zu: "Ei, werter Herr Anselmus, worГјber sinnen Sie denn so, was giltвЂ™s, das Arabische geht Ihnen nicht aus dem Kopf? GrГјГџen Sie doch den Herrn Konrektor Paulmann, wenn Sie etwa zu ihm gehen, und kommen Sie morgen Punkt zwГ¶lf Uhr wieder. Das Honorar fГјr heute steckt bereits in Ihrer rechten Westentasche."В вЂ“ Der Student Anselmus fand wirklich den blanken Speziestaler in der bezeichneten Tasche, aber er freute sich gar nicht darГјber.В вЂ“ "Was aus dem allen werden wird, weiГџ ich nicht," sprach er zu sich selbst; "umfГ¤ngt mich aber auch nur ein toller Wahn und Spuk, so lebt und webt doch in meinem Innern die liebliche Serpentina, und ich will, ehe ich von ihr lasse, lieber untergehen ganz und gar, denn ich weiГџ doch, daГџ der Gedanke in mir ewig ist, und kein feindliches Prinzip kann ihn vernichten; aber ist der Gedanke denn was anderes als SerpentinaвЂ™s Liebe?"

Siebente Vigilie

Endlich klopfte der Konrektor Paulmann die Pfeife aus, sprechend: Nun ist es doch wohl Zeit, sich zur Ruhe zu begeben.В вЂ“ "Ja wohl," erwiderte die durch des Vaters lГ¤ngeres Aufbleiben beГ¤ngstete Veronika, "denn es schlug lГ¤ngst zehn Uhr." Kaum war nun der Konrektor in sein Studier- und Schlafzimmer gegangen, kaum hatten FrГ¤nzchens schwerere AtemzГјge kundgetan, daГџ sie wirklich fest eingeschlafen, als Veronika, die sich zum Schein auch ins Bett gelegt, leise, leise wieder aufstand, sich anzog, den Mantel umwarf und zum Hause hinausschlГјpfte.В вЂ“ Seit dem Augenblick, als Veronika die alte Lise verlassen, stand ihr unaufhГ¶rlich der Anselmus vor Augen, und sie wuГџte selbst nicht, welch eine fremde Stimme im Innern ihr immer und ewig wiederholte, daГџ sein Widerstreben von einer ihr feindlichen Person herrГјhre, die ihn in Banden halte, welche Veronika durch geheimnisvolle Mittel der magischen Kunst zerreiГџen kГ¶nne. Ihr Vertrauen zu der alten Lise wuchs mit jedem Tage, und selbst der Eindruck des Unheimlichen, Grausigen stumpfte sich ab, so daГџ alles Wunderliche, Seltsame ihres VerhГ¤ltnisses mit der Alten ihr nur im Schimmer des UngewГ¶hnlichen, Romanhaften erschien, wovon sie eben recht angezogen wurde. Deshalb stand auch der Vorsatz bei ihr fest, selbst mit Gefahr, vermiГџt zu werden und in tausend Unannehmlichkeiten zu geraten, das Abenteuer der Tag- und Nachtgleiche zu bestehen.В вЂ“ Endlich war nun die verhГ¤ngnisvolle Nacht des Г„quinoktiums, in der ihr die alte Lise HГјlfe und Trost verheiГџen, eingetreten, und Veronika, mit dem Gedanken der nГ¤chtlichen Wanderung lГ¤ngst vertraut geworden, fГјhlte sich ganz ermutigt. Pfeilschnell flog sie durch die einsamen StraГџen, des Sturmes nicht achtend, der durch die LГјfte brauste und ihr die dicken Regentropfen ins Gesicht warf. Mit dumpf drГ¶hnendem Klange schlug die Glocke des Kreuzturmes elf Uhr, als Veronika ganz durchnГ¤Гџt vor dem Hause der Alten stand. "Ei, Liebchen, Liebchen, schon da!В вЂ“ nun warte, warte!"В вЂ“ rief es von oben herab вЂ“ und gleich darauf stand auch die Alte, mit einem Korbe beladen und von ihrem Kater begleitet, vor der TГјr. "So wollen wir denn gehen und tun und treiben, was ziemlich ist und gedeiht in der Nacht, die dem Werke gГјnstig." Dies sprechend ergriff die Alte mit kalter Hand die zitternde Veronika, welcher sie den schweren Korb zu tragen gab, wГ¤hrend sie selbst einen Kessel, DreifuГџ und Spaten auspackte. Als sie ins Freie kamen, regnete es nicht mehr, aber der Sturm war stГ¤rker geworden; tausendstimmig heulte es in den LГјften. Ein entsetzlicher herzzerschneidender Jammer tГ¶nte herab aus den schwarzen Wolken, die sich in schneller Flucht zusammenballten und alles einhГјllten in dicke Finsternis. Aber die Alte schritt rasch fort, mit gellender Stimme rufend: "leuchte вЂ“ leuchte, mein Junge!" Da schlГ¤ngelten und kreuzten sich blaue Blitze vor ihnen her, und Veronika wurde inne, daГџ der Kater knisternde Funken sprГјhend und leuchtend vor ihnen herumsprang, und dessen Г¤ngstliches grausiges Zetergeschrei sie vernahm, wenn der Sturm nur einen Augenblick schwieg.В вЂ“ Ihr wollte der Atem vergehen, es war als griffen eiskalte Krallen in ihr Inneres, aber gewaltsam raffte sie sich zusammen, und sich fester an die Alte klammernd sprach sie: "Nun muГџ alles vollbracht werden, und es mag geschehen was da will!"В вЂ“ "Recht so, mein TГ¶chterchen!" erwiderte die Alte, "bleibe fein standhaft, und ich schenke Dir was SchГ¶nes und dem Anselmus obendrein!" Endlich stand die Alte still und sprach: "Nun sind wir an Ort und Stelle!" Sie grub ein Loch in die Erde, schГјttete Kohlen hinein und stellte den DreifuГџ darГјber, auf den sie den Kessel setzte. Alles dieses begleitete sie mit seltsamen GebГ¤rden, wГ¤hrend der Kater sie umkreiste. Aus seinem Schweif sprГјhten Funken, die einen Feuerreif bildeten. Bald fingen die Kohlen an zu glГјhen, und endlich schlugen blaue Flammen unter dem DreifuГџ hervor. Veronika muГџte Mantel und Schleier ablegen und sich bei der Alten niederkauern, die ihre HГ¤nde ergriff und fest drГјckte, mit den funkelnden Augen das MГ¤dchen anstarrend. Nun fingen die sonderbaren Massen вЂ“ waren es Blumen вЂ“ Metalle вЂ“ KrГ¤uter вЂ“ Tiere, man konnte es nicht unterscheiden вЂ“ die die Alte aus dem Korbe genommen und in den Kessel geworfen, an zu sieden und zu brausen. Die Alte lieГџ Veronika los, sie ergriff einen eisernen LГ¶ffel, mit dem sie in die glГјhende Masse hineinfuhr und darin rГјhrte, wГ¤hrend Veronika auf ihr GeheiГџ festen Blickes in den Kessel hineinschauen und ihre Gedanken auf den Anselmus richten muГџte. Nun warf die Alte aufs neue blinkende Metalle und auch eine Haarlocke, die sich Veronika vom Kopfwirbel geschnitten, sowie einen kleinen Ring, den sie lange getragen, in den Kessel, indem sie unverstГ¤ndliche, durch die Nacht grausig gellende TГ¶ne ausstieГџ, und der Kater im unaufhГ¶rlichen Rennen winselte und Г¤chzte.В вЂ“ Ich wollte, daГџ Du, gГјnstiger Leser, am dreiundzwanzigsten September auf der Reise nach Dresden begriffen gewesen wГ¤rest; vergebens suchte man, als der spГ¤te Abend hereinbrach, Dich auf der letzten Station aufzuhalten; der freundliche Wirt stellte Dir vor, es stГјrme und regne doch gar zu sehr und Гјberhaupt sei es auch nicht geheuer in der Г„quinoktialnacht so ins Dunkle hineinzufahren; aber Du achtetest dessen nicht, indem Du ganz richtig annahmst: ich zahle dem Postillon einen ganzen Taler Trinkgeld und bin spГ¤testens um ein Uhr in Dresden, wo mich im goldenen Engel oder im Helm oder in der Stadt Naumburg ein gut zugerichtetes Abendessen und ein weiches Bett erwartet. Wie Du nun so in der Finsternis daherfГ¤hrst, siehst Du plГ¶tzlich in der Ferne ein ganz seltsames flackerndes Leuchten. NГ¤her gekommen erblickst Du einen Feuerreif, in dessen Mitte bei einem Kessel, aus dem dicker Qualm und blitzende rote Strahlen und Funken emporschieГџen, zwei Gestalten sitzen. Gerade durch das Feuer geht der Weg, aber die Pferde prusten und stampfen und bГ¤umen sich вЂ“ der Postillon flucht und betet вЂ“ und peitscht auf die Pferde hinein вЂ“ sie gehen nicht von der Stelle.В вЂ“ UnwillkГјrlich springst Du aus dem Wagen und rennst einige Schritte vorwГ¤rts. Nun siehst Du deutlich das schlanke holde MГ¤dchen, die im weiГџen dГјnnen Nachtgewande bei dem Kessel kniet. Der Sturm hat die Flechten aufgelГ¶st und das lange kastanienbraune Haar flattert frei in den LГјften. Ganz im blendenden Feuer der unter dem DreifuГџ emporflackernden Flammen steht das engelschГ¶ne Gesicht, aber in dem Entsetzen, das seinen Eisstrom darГјber goГџ, ist es erstarrt zur Totenbleiche, und in dem stieren Blick, in den hinaufgezogenen Augenbrauen, in dem Munde, der sich vergebens dem Schrei der Todesangst Г¶ffnet, welcher sich nicht der von namenloser Folter gepreГџten Brust entwinden kann, siehst Du ihr Grausen, ihr Entsetzen; die kleinen HГ¤ndchen hГ¤lt sie krampfhaft zusammengefaltet in die HГ¶he, als riefe sie betend die Schutzengel herbei, sie zu schirmen vor den UngetГјmen der HГ¶lle, die, dem mГ¤chtigen Zauber gehorchend, nun gleich erscheinen werden.В вЂ“ So kniet sie da, unbeweglich wie ein Marmorbild. Ihr gegenГјber sitzt auf dem Boden niedergekauert ein langes, hageres, kupfergelbes Weib mit spitzer Habichtsnase und funkelnden Katzenaugen; aus dem schwarzen Mantel, den sie umgeworfen, starren die nackten knГ¶chernen Arme hervor, und rГјhrend in dem HГ¶llensud lacht und ruft sie mit krГ¤chzender Stimme durch den brausenden tosenden Sturm.В вЂ“ Ich glaube wohl, daГџ Dir, gГјnstiger Leser, kenntest du auch sonst keine Furcht und Scheu, sich doch bei dem Anblick dieses Rembrandtschen oder HГ¶llen-Breughelschen GemГ¤ldes, das nun ins Leben getreten, vor Grausen die Haare auf dem Kopfe gestrГ¤ubt hГ¤tten.

Aber Dein Blick konnte nicht loskommen von dem im hГ¶llischen Treiben befangenen MГ¤dchen, und der elektrische Schlag, der durch alle Deine Fibern und Nerven zitterte, entzГјndete mit der Schnelligkeit des Blitzes in Dir den mutigen Gedanken, Trotz zu bieten den geheimnisvollen MГ¤chten des Feuerkreises; in ihm ging Dein Grausen unter, ja der Gedanke selbst keimte auf in diesem Grausen und Entsetzen als dessen Erzeugnis. Es war Dir, als seist Du selbst der Schutzengel einer, zu denen das zum Tode geГ¤ngstigte MГ¤dchen flehte, ja als mГјГџtest Du nur gleich Dein Taschenpistol hervorziehen und die Alte ohne weiteres totschieГџen! Aber, indem Du das lebhaft dachtest, schriest Du laut auf: Heda! oder: was gibt es dorten? oder: was treibt ihr da?В вЂ“ Der Postillon stieГџ schmetternd in sein Horn, die Alte kugelte um in ihren Sud hinein, und alles war mit einem Mal verschwunden in dickem Qualm.В вЂ“ Ob Du das MГ¤dchen, das Du nun mit recht innigem Verlangen in der Finsternis suchtest, gefunden hГ¤ttest, mag ich nicht behaupten, aber den Spuk des alten Weibes hattest Du zerstГ¶rt, und den Bann des magischen Kreises, in den sich Veronika leichtsinnig begeben, gelГ¶st.В вЂ“ Weder Du, gГјnstiger Leser, noch sonst jemand, fuhr oder ging aber am dreiundzwanzigsten September in der stГјrmischen den HexenkГјnsten gГјnstigen Nacht des Weges, und Veronika muГџte ausharren am Kessel in tГ¶dlicher Angst, bis das Werk der Vollendung nahe.В вЂ“ Sie vernahm wohl, wie es um sie her heulte und brauste, wie allerlei widrige Stimmen durcheinander blГ¶kten und schnatterten, aber sie schlug die Augen nicht auf, denn sie fГјhlte, wie der Anblick des GrГ¤Гџlichen, des Ensetzlichen [Entsetzlichen], von dem sie umgeben, sie in unheilbaren zerstГ¶renden Wahnsinn stГјrzen kГ¶nne. Die Alte hatte aufgehГ¶rt im Kessel zu rГјhren, immer schwГ¤cher und schwГ¤cher wurde der Qualm und zuletzt brannte nur eine leichte Spiritusflamme im Boden des Kessels. Da rief die Alte: Veronika, mein Kind! mein Liebchen! schau hinein in den Grund! was siehst Du denn вЂ“ was siehst Du denn?В вЂ“ Aber Veronika vermochte nicht zu antworten, unerachtet es ihr schien, als drehten sich allerlei verworrene Figuren im Kessel durcheinander; immer deutlicher und deutlicher gingen Gestalten hervor, und mit einem Mal trat, sie freundlich anblickend und die Hand ihr reichend, der Student Anselmus aus der Tiefe des Kessels. Da rief sie laut: Ach, der Anselmus!В вЂ“ der Anselmus!В вЂ“ Rasch Г¶ffnete die Alte den am Kessel befindlichen Hahn, und glГјhendes Metall strГ¶mte zischend und prasselnd in eine kleine Form, die sie daneben gestellt. Nun sprang das Weib auf und kreischte, mit wilder grГ¤Гџlicher GebГ¤rde sich herumschwingend: Vollendet ist das Werk вЂ“ Dank Dir, mein Junge!В вЂ“ hast Wache gehalten вЂ“ Hui вЂ“ Hui вЂ“ er kommt!В вЂ“ beiГџ ihn tot, beiГџ ihn tot! Aber da brauste es mГ¤chtig durch die LГјfte, es war als rausche ein ungeheurer Adler herab, mit den Fittichen um sich schlagend, und es rief mit entsetzlicher Stimme: "Hei, hei!В вЂ“ ihr Gesindel! nun istвЂ™s aus вЂ“ nun istвЂ™s aus вЂ“ fort zu Haus!" Die Alte stГјrzte heulend nieder, aber der Veronika vergingen Sinn und Gedanken.В вЂ“ Als sie wieder zu sich selbst kam, war es heller Tag geworden, sie lag in ihrem Bette und FrГ¤nzchen stand mit einer Tasse dampfenden Tees vor ihr, sprechend: Aber sage mir nur, Schwester, was Dir ist! da stehe ich nun schon eine Stunde oder lГ¤nger vor Dir, und Du liegst wie in der Fieberhitze besinnungslos da und stГ¶hnest und Г¤chzest, daГџ uns angst und bange wird. Der Vater ist Deinetwegen heute nicht in die Klasse gegangen und wird gleich mit dem Herrn Doktor hereinkommen.В вЂ“ Veronika nahm schweigend den Tee; indem sie ihn hinunterschlГјrfte, traten ihr die grГ¤Гџlichen Bilder der Nacht lebhaft vor Augen. "So war denn wohl alles nur ein Г¤ngstlicher Traum, der mich gequГ¤lt hat?В вЂ“ Aber ich bin doch gestern Abend wirklich zur Alten gegangen, es war ja der dreiundzwanzigste September?В вЂ“ Doch bin ich wohl schon gestern recht krank geworden und habe mir das alles nur eingebildet, und nichts hat mich krank gemacht, als das ewige Denken an den Anselmus und an die wunderliche alte Frau, die sich fГјr die Lise ausgab und mich wohl nur damit geneckt hat."В вЂ“ FrГ¤nzchen, die hinausgegangen, trat wieder herein mit VeronikaвЂ™s ganz durchnГ¤Гџtem Mantel in der Hand. "Sieh nur, Schwester!" sagte sie, "wie es Deinem Mantel ergangen ist; da hat der Sturm in der Nacht das Fenster aufgerissen und den Stuhl, auf dem der Mantel lag, umgeworfen, da hat es nun wohl hineingeregnet, denn der Mantel ist ganz naГџ." вЂ“ Das fiel der Veronika schwer aufs Herz, denn sie merkte nun wohl, daГџ nicht ein Traum sie gequГ¤lt, sondern daГџ sie wirklich bei der Alten gewesen. Da ergriff sie Angst und Grausen und ein Fieberfrost zitterte durch alle Glieder. Im krampfhaften Erbeben zog sie die Bettdecke fest Гјber sich; aber da fГјhlte sie, daГџ etwas Hartes ihre Brust drГјckte, und als sie mit der Hand danach faГџte, schien es ein Medaillon zu sein; sie zog es hervor, als FrГ¤nzchen mit dem Mantel fortgegangen, und es war ein kleiner runder hellpolierter Metallspiegel. "Das ist ein Geschenk der Alten[,]" rief sie lebhaft, und es war als schГ¶ssen feurige Strahlen aus dem Spiegel, die in ihr Innerstes drangen und es wohltuend erwГ¤rmten; der Fieberfrost war vorГјber und es durchstrГ¶mte sie ein unbeschreibliches GefГјhl von Behaglichkeit und Wohlsein. An den Anselmus muГџte sie denken, und als sie immer fester und fester den Gedanken auf ihn richtete, da lГ¤chelte er ihr freundlich aus dem Spiegel entgegen wie ein lebhaftes MiniaturportrГ¤t. Aber bald war es ihr, als sГ¤he sie nicht mehr das Bild вЂ“ nein!В вЂ“ sondern den Studenten Anselmus selbst leibhaftig. Er saГџ in einem hohen seltsam ausstaffierten Zimmer und schrieb emsig. Veronika wollte zu ihm hintreten, ihn auf die Schulter klopfen und sprechen: Herr Anselmus, schauen Sie doch um sich, ich bin ja da! Aber das ging durchaus nicht an, denn es war als umgebe ihn ein leuchtender Feuerstrom, und wenn Veronika recht genau hinsah, waren es doch nur groГџe BГјcher mit vergoldetem Schnitt. Aber endlich gelang es der Veronika, den Anselmus ins Auge zu fassen, da war es als mГјsse er im Anschauen sich erst auf sie besinnen, doch endlich lГ¤chelte er und sprach: Ach!В вЂ“ sind Sie es, liebe Mademoiselle Paulmann? Aber warum belieben Sie sich denn zuweilen als SchlГ¤nglein zu gebГ¤rden? Veronika muГџte Гјber diese seltsamen Worte laut auflachen; darГјber erwachte sie wie aus einem tiefen Traume, und sie verbarg schnell den kleinen Spiegel, als die TГјr aufging und der Konrektor Paulmann mit dem Doktor Eckstein ins Zimmer kam. Der Doktor Eckstein ging sogleich ans Bett, faГџte lange in tiefem Nachdenken versunken VeronikaвЂ™s Puls und sagte dann: Ei! Ei! Hierauf schrieb er ein Rezept, faГџte noch einmal den Puls, sagte wiederum: Ei! Ei! und verlieГџ die Patientin. Aus diesen Г„uГџerungen des Doktors Eckstein konnte aber der Konrektor Paulmann nicht recht deutlich entnehmen, was der Veronika denn wohl eigentlich fehlen mГ¶ge.

Achte Vigilie

Die Bibliothek der PalmbГ¤ume.В вЂ“ Schicksale eines unglГјcklichen Salamanders.В вЂ“ Wie die schwarze Feder eine RunkelrГјbe liebkoste und der Registrator Heerbrand sich sehr betrank.

Der Student Anselmus hatte nun schon mehrere Tage bei dem Archivarius Lindhorst gearbeitet; diese Arbeitsstunden waren fГјr ihn die glГјcklichsten seines Lebens, denn immer von lieblichen KlГ¤ngen von SerpentinaвЂ™s trГ¶stenden Worten umflossen, ja oft von einem vorГјbergleitenden Hauche leise berГјhrt, durchstrГ¶mte ihn eine nie gefГјhlte Behaglichkeit, die oft bis zur hГ¶chsten Wonne stieg. Jede Not, jede kleinliche Sorge seiner dГјrftigen Existenz war ihm aus Sinn und Gedanken entschwunden, und in dem neuen Leben, das ihm wie im hellen Sonnenglanze aufgegangen, begriff er alle Wunder einer hГ¶heren Welt, die ihn sonst mit Staunen, ja mit Grausen erfГјllt hatten. Mit dem Abschreiben ging es sehr schnell, indem es ihm immer mehr dГјnkte, er schreibe nur lГ¤ngst gekannte ZГјge auf das Pergament hin und dГјrfe kaum nach dem Original sehen, um alles mit der grГ¶Гџten Genauigkeit nachzumalen.В вЂ“ AuГџer der Tischzeit lieГџ sich der Archivarius Lindhorst nur dann und wann sehen, aber jedesmal erschien er genau in dem Augenblick, wenn Anselmus eben die letzten Zeichen einer Handschrift vollendet hatte, und gab ihm dann eine andere, verlieГџ ihn aber gleich wieder schweigend, nachdem er nur mit einem schwarzen StГ¤bchen die Tinte umgerГјhrt und die gebrauchten Federn mit neuen, schГ¤rfer gespitzten vertauscht hatte. Eines Tages, als Anselmus mit dem Glockenschlag zwГ¶lf bereits die Treppe hinaufgestiegen, fand er die TГјr, durch die er gewГ¶hnlich hineingegangen, verschlossen, und der Archivarius Lindhorst erschien in seinem wunderlichen wie mit glГ¤nzenden Blumen bestreuten Schlafrock von der andern Seite. Er rief laut: "Heute kommen Sie nur hier herein, werter Anselmus, denn wir mГјssen in das Zimmer, wo BhogovotgitaвЂ™s Meister unsrer warten." Er schritt durch den Korridor und fГјhrte Anselmus durch dieselben GemГ¤cher und SГ¤le, wie das erste Mal. Der Student Anselmus erstaunte aufвЂ™s neue Гјber die wunderbare Herrlichkeit des Gartens, aber er sah nun deutlich, daГџ manche seltsame BlГјten, die an den dunklen BГјschen hingen, eigentlich in glГ¤nzenden Farben prunkende Insekten waren, die mit den FlГјglein auf und nieder schlugen und durcheinander tanzend und wirbelnd sich mit ihren SaugrГјsseln zu liebkosen schienen. Dagegen waren wieder die rosenfarbenen und himmelblauen VГ¶gel duftende Blumen, und der Geruch, den sie verbreiteten, stieg aus ihren Kelchen empor in leisen lieblichen TГ¶nen, die sich mit dem GeplГ¤tscher der fernen Brunnen, mit dem SГ¤useln der hohen Stauden und BГ¤ume zu geheimnisvollen Akkorden einer tiefklagenden Sehnsucht vermischten. Die SpottvГ¶gel, die ihn das erste Mal so geneckt und gehГ¶hnt, flatterten ihm wieder um den Kopf und schrieen mit ihren feinen Stimmchen unaufhГ¶rlich: "Herr Studiosus, Herr Studiosus, eilen Sie nicht so вЂ“ gucken Sie nicht so in die Wolken вЂ“ Sie kГ¶nnten auf die Nase fallen.В вЂ“ He, he! Herr Studiosus вЂ“ nehmen Sie den Pudermantel um вЂ“ Gevatter Schuhu soll Ihnen den Toupet frisieren." So ging es fort in allerlei dummem GeschwГ¤tz, bis Anselmus den Garten verlassen. Der Archivarius Lindhorst trat endlich in das azurblaue Zimmer; der Porphyr mit dem goldnen Topf war verschwunden, statt dessen stand ein mit violettem Samt behangener Tisch, auf dem die dem Anselmus bekannten Schreibmaterialien befindlich, in der Mitte des Zimmers und ein ebenso beschlagener Lehnstuhl stand vor demselben. "Lieber Herr Anselmus," sagte der Archivarius Lindhorst, "Sie haben nun schon manches Manuskript schnell und richtig zu meiner Zufriedenheit kopiert, Sie haben sich mein Zutrauen erworben; das Wichtigste bleibt aber noch zu tun Гјbrig, und das ist das Abschreiben oder vielmehr Nachmalen gewisser in besonderen Zeichen geschriebener Werke, die ich hier in diesem Zimmer aufbewahre und die nur an Ort und Stelle kopiert werden kГ¶nnen. Sie werden daher kГјnftig hier arbeiten, aber ich muГџ Ihnen die grГ¶Гџte Vorsicht und Aufmerksamkeit empfehlen; ein falscher Strich, oder was der Himmel verhГјten mГ¶ge, ein Tintenfleck auf das Original gespritzt, stГјrzt Sie ins UnglГјck."В вЂ“ Anselmus bemerkte, daГџ aus den goldnen StГ¤mmen der PalmbГ¤ume kleine smaragdgrГјne BlГ¤tter herausragten; eins dieser BlГ¤tter erfaГџte der Archivarius, und Anselmus wurde gewahr, daГџ das Blatt eigentlich in einer Pergamentrolle bestand, die der Archivarius aufwickelte und vor ihm auf den Tisch breitete. Anselmus wunderte sich nicht wenig Гјber die seltsam verschlungenen Zeichen, und bei dem Anblick der vielen PГјnktchen, Striche und ZГјge und SchnГ¶rkel, die bald Pflanzen, bald Moose, bald Tiergestalten darzustellen schienen, wollte ihm beinahe der Mut sinken, alles so genau nachmalen zu kГ¶nnen. Er geriet darГјber in tiefe Gedanken. "Mut gefaГџt, junger Mensch!" rief der Archivarius, "hast Du bewГ¤hrten Glauben und wahre Liebe, so hilft Dir Serpentina!" Seine Stimme tГ¶nte wie klingendes Metall, und als Anselmus in jГ¤hem Schreck aufblickte, stand der Archivarius Lindhorst in der kГ¶niglichen Gestalt vor ihm, wie er ihm bei dem ersten Besuch im Bibliothekzimmer erschienen. Es war dem Anselmus, als mГјsse er von Ehrfurcht durchdrungen auf die Knie sinken, aber da stieg der Archivarius Lindhorst an dem Stamm eines Palmbaums in die HГ¶he und verschwand in den smaragdnen BlГ¤ttern.В вЂ“ Der Student Anselmus begriff, daГџ der GeisterfГјrst mit ihm gesprochen und nun in sein Studierzimmer hinaufgestiegen, um vielleicht mit den Strahlen, die einige Planeten als Gesandte zu ihm geschickt, RГјcksprache zu halten, was nun mit ihm und der holden Serpentina geschehen solle.В вЂ“ Auch kann es sein, dachte er ferner, daГџ ihn Neues von den Quellen des Nils erwartet, oder daГџ ein Magus aus Lappland ihn besucht вЂ“ mir geziemt es nun, emsig an die Arbeit zu gehen.В вЂ“ Und damit fing er an die fremden Zeichen der Pergamentrolle zu studieren.В вЂ“ Die wunderbare Musik des Gartens tГ¶nte zu ihm herГјber und umgab ihn mit sГјГџen lieblichen DГјften, auch hГ¶rte er wohl die SpottvГ¶gel kickern, doch verstand er ihre Worte nicht, was ihm auch recht lieb war. Zuweilen war es auch als rauschten die smaragdenen BlГ¤tter der PalmbГ¤ume und als strahlten dann die holden KristallklГ¤nge, welche Anselmus an jenem verhГ¤ngnisvollen Himmelfahrtstage unter dem Holunderbusch hГ¶rte, durch das Zimmer. Der Student Anselmus, wunderbar gestГ¤rkt durch dies TГ¶nen und Leuchten, richtete immer fester und fester Sinn und Gedanken auf die Гњberschrift der Pergamentrolle, und bald fГјhlte er wie aus dem Innersten heraus, daГџ die Zeichen nichts anders bedeuten kГ¶nnten, als die Worte: Von der VermГ¤hlung des Salamanders mit der grГјnen Schlange.В вЂ“ Da ertГ¶nte ein starker Dreiklang heller Kristallglocken.В вЂ“ "Anselmus, lieber Anselmus," wehte es ihm zu aus den BlГ¤ttern, und o Wunder! an dem Stamm des Palmbaums schlГ¤ngelte sich die grГјne Schlange herab.В вЂ“ "Serpentina! holde Serpentina!" rief Anselmus wie im Wahnsinn des hГ¶chsten EntzГјckens, denn so wie er schГ¤rfer hinblickte, da war es ja ein liebliches herrliches MГ¤dchen, die mit den dunkelblauen Augen, wie sie in seinem Innern lebten, voll unaussprechlicher Sehnsucht ihn anschauend, ihm entgegenschwebte. Die BlГ¤tter schienen sich herabzulassen und auszudehnen, Гјberall sproГџten Stacheln aus den StГ¤mmen, aber Serpentina wand und schlГ¤ngelte sich geschickt durch, indem sie ihr flatterndes, wie in schillernden Farben glГ¤nzendes Gewand nach sich zog, so daГџ es sich dem schlanken KГ¶rper anschmiegend nirgends hГ¤ngen blieb an den hervorragenden Spitzen und Stacheln der PalmbГ¤ume. Sie setzte sich neben dem Anselmus auf denselben Stuhl, ihn mit dem Arm umschlingend und an sich drГјckend, so daГџ er den Hauch, der von ihren Lippen strГ¶mte, die elektrische WГ¤rme ihres KГ¶rpers fГјhlte. "Lieber Anselmus!" fing Serpentina an, "nun bist Du bald ganz mein, durch Deinen Glauben, durch Deine Liebe erringst Du mich, und ich bringe Dir den goldnen Topf, der uns beide beglГјckt immerdar."В вЂ“ "O Du holde, liebe Serpentina," sagte Anselmus, "wenn ich nur Dich habe, was kГјmmert mich sonst alles Гњbrige? Wenn Du nur mein bist, so will ich gern untergehen in allвЂ™ dem Wunderbaren und Seltsamen, was mich befГ¤ngt seit dem Augenblick, als ich Dich sah."В вЂ“ "Ich weiГџ wohl," fuhr Serpentina fort, "daГџ das Unbekannte und Wunderbare, womit mein Vater oft nur zum Spiel seiner Laune Dich umfangen, Grausen und Entsetzen in Dir erregt hat, aber jetzt soll es, wie ich hoffe, nicht wieder geschehen, denn ich bin in diesem Augenblick nur da, um Dir, mein lieber Anselmus, alles und jedes aus tiefem GemГјte, aus tiefer Seele haarklein zu erzГ¤hlen, was Dir zu wissen nГ¶tig, um meinen Vater ganz zu kennen und Гјberhaupt recht deutlich einzusehen, was es mit ihm und mit mir fГјr eine Bewandtnis hat." Dem Anselmus war es, als sei er von der holden lieblichen Gestalt so ganz und gar umschlungen und umwunden, daГџ er sich nur mit ihr regen und bewegen kГ¶nne, und als sei es nur der Schlag ihres Pulses, der durch seine Fibern und Nerven zitterte; er horchte auf jedes ihrer Worte, das bis in sein Innerstes erklang und wie ein leuchtender Strahl die Wonne des Himmels in ihm entzГјndete. Er hatte den Arm um ihren schlanker als schlanken Leib gelegt, aber der schillernde glГ¤nzende Stoff ihres Gewandes war so glatt, so schlГјpfrig, daГџ es ihm schien, als kГ¶nne sie, sich ihm schnell entwindend, unaufhaltsam entschlГјpfen, und er erbebte bei dem Gedanken. "Ach, verlaГџ mich nicht, holde Serpentina!" rief er unwillkГјrlich aus, "nur Du bist mein Leben!"В вЂ“ "Nicht eher heute," sagte Serpentina, "als bis ich alles erzГ¤hlt habe, was Du in Deiner Liebe zu mir begreifen kannst.В вЂ“ Wisse also, Geliebter, daГџ mein Vater aus dem wunderbaren Geschlecht der Salamander abstammt, und daГџ ich mein Dasein seiner Liebe zur grГјnen Schlange verdanke. In uralter Zeit herrschte in dem Wunderlande Atlantis der mГ¤chtige GeisterfГјrst Phosphorus, dem die Elementargeister dienten. Einst ging der Salamander, den er vor allen liebte (es war mein Vater), in dem prГ¤chtigen Garten, den des Phosphorus Mutter mit ihren schГ¶nsten Gaben auf das herrlichste geschmГјckt hatte, umher und hГ¶rte, wie eine hohe Lilie in leisen TГ¶nen sang: "DrГјcke fest die Г„uglein zu, bis mein Geliebter, der Morgenwind, Dich weckt." Er trat hinzu; von seinem glГјhenden Hauch berГјhrt, erschloГџ die Lilie ihre BlГ¤tter und er erblickte der Lilie Tochter, die grГјne Schlange, welche in dem Kelch schlummerte. Da wurde der Salamander von heiГџer Liebe zu der schГ¶nen Schlange ergriffen, und er raubte sie der Lilie, deren DГјfte in namenloser Klage vergebens im ganzen Garten nach der geliebten Tochter riefen. Denn der Salamander hatte sie in das SchloГџ des Phosphorus getragen und bat ihn: vermГ¤hle mich mit der Geliebten, denn sie soll mein eigen sein immerdar. TГ¶richter, was verlangst du! sprach der GeisterfГјrst, wisse, daГџ einst die Lilie meine Geliebte war und mit mir herrschte; aber der Funke, den ich in sie warf, drohte sie zu vernichten und nur der Sieg Гјber den schwarzen Drachen, den jetzt die Erdgeister in Ketten gebunden halten, erhielt die Lilie, daГџ ihre BlГ¤tter stark genug blieben, den Funken in sich zu schlieГџen und zu bewahren. Aber, wenn Du die grГјne Schlange umarmst, wird Deine Glut den KГ¶rper verzehren und ein neues Wesen schnell emporkeimend sich Dir entschwingen. Der Salamander achtete der Warnung des GeisterfГјrsten nicht; voll glГјhenden Verlangens schloГџ er die grГјne Schlange in seine Arme, sie zerfiel in Asche und ein geflГјgeltes Wesen aus der Asche geboren rauschte fort durch die LГјfte. Da ergriff den Salamander der Wahnsinn der Verzweiflung und er rannte Feuer und Flammen sprГјhend durch den Garten und verheerte ihn in wilder Wut, daГџ die schГ¶nsten Blumen und BlГјten verbrannt niedersanken und ihr Jammer die Luft erfГјllte. Der hocherzГјrnte GeisterfГјrst erfaГџte im Grimm den Salamander und sprach: Ausgeraset hat Dein Feuer вЂ“ erloschen sind Deine Flammen, erblindet Deine Strahlen вЂ“ sinke hinab zu den Erdgeistern, die mГ¶gen Dich necken und hГ¶hnen und gefangen halten, bis der Feuerstoff sich wieder entzГјndet und mit Dir als einem neuen Wesen aus der Erde emporstrahlt.

РљРѕРЅРµС† РѕР·РЅР°РєРѕРјРёС‚РµР»СЊРЅРѕРіРѕ С„СЂР°РіРјРµРЅС‚Р°.

РўРµРєСЃС‚ РїСЂРµРґРѕСЃС‚Р°РІР»РµРЅ РћРћРћ В«Р›РёС‚Р РµСЃВ».

РџСЂРѕС‡РёС‚Р°Р№С‚Рµ СЌС‚Сѓ РєРЅРёРіСѓ С†РµР»РёРєРѕРј, РєСѓРїРёРІ РїРѕР»РЅСѓСЋ Р»РµРіР°Р»СЊРЅСѓСЋ РІРµСЂСЃРёСЋ (https://www.litres.ru/ernst-gofman/ritter-gluck-und-andere-geschichten/) РЅР° Р›РёС‚Р РµСЃ.

Р‘РµР·РѕРїР°СЃРЅРѕ РѕРїР»Р°С‚РёС‚СЊ РєРЅРёРіСѓ РјРѕР¶РЅРѕ Р±Р°РЅРєРѕРІСЃРєРѕР№ РєР°СЂС‚РѕР№ Visa, MasterCard, Maestro, СЃРѕ СЃС‡РµС‚Р° РјРѕР±РёР»СЊРЅРѕРіРѕ С‚РµР»РµС„РѕРЅР°, СЃ РїР»Р°С‚РµР¶РЅРѕРіРѕ С‚РµСЂРјРёРЅР°Р»Р°, РІ СЃР°Р»РѕРЅРµ РњРўРЎ РёР»Рё РЎРІСЏР·РЅРѕР№, С‡РµСЂРµР· PayPal, WebMoney, РЇРЅРґРµРєСЃ.Р”РµРЅСЊРіРё, QIWI РљРѕС€РµР»РµРє, Р±РѕРЅСѓСЃРЅС‹РјРё РєР°СЂС‚Р°РјРё РёР»Рё РґСЂСѓРіРёРј СѓРґРѕР±РЅС‹Рј Р’Р°Рј СЃРїРѕСЃРѕР±РѕРј.

Если текст книги отсутствует, перейдите по ссылке

Возможные причины отсутствия книги:
1. Книга снята с продаж по просьбе правообладателя
2. Книга ещё не поступила в продажу и пока недоступна для чтения

Навигация

Читать онлайн книгу "Ritter Gluck und andere geschichten"